Die Kohleindustrie und republikanische Politiker planen Klagen und Obstruktion. Die US-Energieindustrie erzeugt rund fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, 80 Prozent davon verpuffen aus den Schloten von Kohlekraftwerken.
Washington. Die am Montag von US-Präsident Barack Obama vorgestellten Emissionsvorschriften für Kohlekraftwerke stoßen auf einen von langer Hand geplanten Widerstand der Kohlelobby, republikanischer Regierungspolitiker in mindestens 15 derzeit von dieser Partei geführten US-Teilstaaten sowie führenden Mitgliedern des Kongresses in Washington. Ob diese Umweltvorschriften Bestand haben werden, ist offen, sicher ist jedenfalls, dass eine Klage gegen sie im Jahr 2017 vor dem Obersten Gerichtshof eingebracht wird – nach dem Ende von Obamas Ära.
Die neuen Regeln, welche von der Environmental Protection Agency (EPA), dem US-Umweltbundesamt, vollzogen werden, sehen dreierlei vor: Erstens müssen bestehende Kraftwerke ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2025 um 32 Prozent unter die Emissionen des Jahres 2005 drücken. Hunderte US-Kohlekraftwerke können diese Vorgabe nicht oder nicht auf kaufmännisch vertretbare Weise erfüllen und werden nach jetzigem Stand der Dinge zusperren müssen.
„Klimawandel-Putsch“
Zweitens dürfen künftige Kohlekraftwerke höchstens halb so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen wie heutige Anlagen. Diese Vorgabe würde den Bau neuer Kohlekraftwerke in den USA praktisch beenden, weil sie angesichts billigen Erdgases und stagnierender beziehungsweise nur schwach steigender Nachfrage nach elektrischem Strom nicht mit Gewinn zu betreiben wären.
Drittens schreibt die EPA jedem der 50 US-Teilstaaten ein individuelles Ziel zur Senkung seines Ausstoßes an Treibhausgasen aus der kalorischen Erzeugung von Elektrizität vor. Schon im kommenden Jahr müssen die Staaten Vorschläge dafür machen, wie sie diese Vorgaben einzuhalten gedenken, zwei Jahre später müssen diese Pläne fix sein.
Die Gegner dieser Vorschriften werfen Obama und der EPA Gesetzesbruch und Willkür vor; das „Wall Street Journal“ übertitelte am Dienstag seinen Leitartikel zum Thema mit „Klimawandel-Putsch“. Tatsächlich jedoch hat Obamas Plan ziemlich stabile rechtliche Grundlagen. Er wendet jene Bestimmung im Clean Air Act aus dem Jahr 1970 an, der vorgibt, dass die EPA Emissionen, die gesundheitsschädlich sind, regulieren darf. In mehreren Gerichtsverfahren, die vor dem Supreme Court in Washington endeten, konnte die EPA ihre juristische Interpretation verteidigen, derzufolge Treibhausgase wie Kohlendioxid bei entsprechend starkem Auftreten sehr wohl die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen und somit von ihr mit Verordnungen begrenzt werden dürfen.
USA in Vorreiterrolle
Die US-Energieindustrie erzeugt in Summe rund fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, 80 Prozent davon verpuffen aus den Schloten von Kohlekraftwerken. Für sich genommen werden die neuen Vorschriften nicht genügen, um den vom Menschen beschleunigten Klimawandel zu bremsen.
Obama hofft aber darauf, dass die USA mit diesen Effizienzstandards eine globale Vorreiterrolle einnehmen kann. Mit dieser Position will er im Dezember beim UN-Klimagipfel in Paris punkten.
Seine Gegner sind, abgesehen von diesen neuen Emissionsregeln, in einer ziemlich aussichtslosen Lage. Die US-Kohleindustrie ist in einer existenziellen Krise, weil Erdgas Kohle in der Energiegewinnung verdrängt, China, wo 45 Prozent aller Kohle weltweit verbraucht wird, angesichts der Luftverschmutzung Maßnahmen ergreift, und der starke Dollar Kohle aus US-Gruben auf dem Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig macht. Seit 2008 ist die US-Kohleproduktion um 15 Prozent gesunken. Einige der größten Produzenten haben um Gläubigerschutz angesucht, am Montag erklärte der mit drei Milliarden Dollar überschuldete Konzern Alpha Natural Resources Insolvenz.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)