Großbritannien: Hinkley Point C wird trotz Brexit gebaut

Computeranimation: So sollen die beiden Reaktoren von Hinkley Point C aussehen.
Computeranimation: So sollen die beiden Reaktoren von Hinkley Point C aussehen.(c) APA/AFP/EDF ENGERY/HO
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Der französische Bauträger EDF hält an dem Kraftwerk fest. Die Klage Österreichs vor dem EuGH ist nach dem Brexit wohl hinfällig.

London. Die wirtschaftliche Situation in Großbritannien ist seit dem Votum für einen EU-Austritt bekanntermaßen äußerst unsicher – doch der französische Energiekonzern EDF hält trotz des bevorstehenden Brexit am Bau des umstrittenen Atomkraftwerks Hinkley Point C in Südengland fest. Das endgültige Ja des Energiegiganten EDF als Bauträger und künftiger Betreiber des 18-Milliarden-Pfund-Projekts (21,4 Milliarden Euro) sollte gestern, Donnerstag, Abend in einer Vorstandssitzung in Paris fallen. „Hinkley Point C ist ein einzigartiger Vermögenswert für die französische Industrie“, erklärte EDF bereits vor der Entscheidung. Österreich hat im Vorjahr gegen das Projekt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen verbotener Subventionen eingebracht. Diese Klage aber dürfte nach der Entscheidung der Briten für den EU-Austritt hinfällig werden. Für London bedeutet der Beschluss aus Paris jedenfalls gute Neuigkeiten. Die Regierung wirbt derzeit weltweit, dass Großbritannien weiterhin „open for business“ sei.

Schon vor dem Brexit hatte sich die Regierung massiv um den Bau des AKW bemüht. London garantiert den Betreibern von Hinkley Point C einen Abnahmepreis von 92,5 Pfund pro MW/h Elektrizität für die Dauer von 35 Jahren. Als diese Zusage im Oktober 2013 gegeben wurde, lag der Marktpreis bei 54 Pfund für eine Megawattstunde Strom. Aktuell beträgt er sogar nur 43 Pfund. Der britische Rechnungshof hat zuletzt einen Bericht veröffentlicht, demzufolge das 3,2-Gigawatt-Kraftwerk die Konsumenten des Landes am Ende mehr als 30 Milliarden Pfund kosten wird. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace spricht vom „teuersten Objekt auf der Erde“.

Dennoch hält auch die britische Regierung an dem Kraftwerk fest. Der zuständige Energieminister, Greg Clark, erklärte in der Vorwoche: „Neue Nuklearenergie ist ein wesentlicher Teil unserer Pläne für ein sicheres, sauberes und leistbares Energieversorgungssystem.“ Nach der für 2025 erwarteten Inbetriebnahme des Kraftwerks soll Hinkley Point C bis zu sieben Prozent der britischen Elektrizität liefern und 60 Jahre am Netz bleiben. Die Errichtung schafft 25.000 Arbeitsplätze in Somerset, einer strukturschwachen Region Südenglands. Die Gewerkschaften unterstützen den Bau vehement.

Derzeit stellt Großbritannien 38 Prozent seines Stroms aus Gaskraftwerken, 25 Prozent aus erneuerbaren Energien, 20 Prozent aus Atomkraftwerken und 16 Prozent aus Kohle her. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen muss in den nächsten Jahren eine ganze Flotte alter Kraftwerke ersetzt werden. Dabei hat sich das Land für den völligen Ausstieg aus der Kohle entschieden und baut stattdessen vor allem auf Atom und Gas. Die Subventionen für erneuerbare Energien werden dagegen gestrichen, in der Solarindustrie gingen 12.000 Jobs verloren. EDF (?lectricité de France), zu 85 Prozent im Eigentum des französischen Staats, erwarb im Jahr 2009 die staatliche britische Atomenergiegesellschaft British Nuclear und damit 15 Reaktoren im Land.

Umstrittene Technologie

Wegen der hohen Kosten von Hinkley Point ist seit 2015 auch die staatliche chinesische Atomgesellschaft CGN mit 33,5 Prozent an dem Projekt beteiligt. Das hat zu Sicherheitsbedenken geführt. Umstritten ist auch die Technologie: Der von EDF geplante European Pressurised Reactor (EPR) ist bisher nirgendwo erfolgreich ans Netz gegangen.

Das Projekt ist bereits von jahrelangen Verzögerungen gekennzeichnet. Nach dem ursprünglichen Regierungsbeschluss für den Ausbau der Atomkraft in Großbritannien im Juli 2006 versprach der damalige EDF-Chef, die Briten würden „bis spätestens 2017 ihren Weihnachtstruthahn mit Atomstrom braten“. Die EU-Kommission gab im Oktober 2014 ihr grünes Licht. Nun soll das Kraftwerk 2025 ans Netz gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2016)

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