Kulturkampf um erste Klimasteuer

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Energie. Eine CO2-Steuer, die Arbeit und Firmen entlastet und Arme unterstützt – so etwas könnte im US-Bundesstaat Washington beschlossen werden. Doch von links und rechts hagelt es Kritik.

Washington. 18 Jahre nachdem er die Idee in einem kleinen Taschenbuch vorgeschlagen hat, könnte Yoram Bauman am kommenden Dienstag seinen Durchbruch in der politischen Realität der USA feiern: Washington State stimmt am großen Wahltag auch über jene aufkommensneutrale CO2-Steuer ab, die der 42-jährige Umweltökonom damals in seiner Schrift namens „Tax Shift“ zur Debatte gestellt hat.

So ein Modell steht nämlich in Form der Initiative 732 für die Bürger des an der nordwestlichen Pazifikküste gelegenen Staates zur Abstimmung. Seine Funktionsweise ist schnell erklärt: Im ersten Jahr nach Einführung, also 2017, würde auf jede Tonne ausgestoßenen Kohlendioxids eine Steuer von 15 Dollar (13,50 Euro) eingehoben werden. Im zweiten Jahr wären das 25 Dollar, danach würde die Steuer jährlich um 3,5 Prozent einschließlich der jeweiligen Inflationsrate steigen, bis sie irgendwann den Wert von 100 Dollar erreicht.

Bis zu 1500 Dollar für Arme

Das würde in Baumans Berechnungen den Benzinpreis um umgerechnet rund sieben Cent pro Liter erhöhen und die durchschnittliche monatliche Stromrechnung um acht Dollar. Jährlich flössen auf diese Weise rund zwei Milliarden Dollar in das Budget Washingtons.

Doch hier ist der Clou: Statt im allgemeinen Staatshaushalt aufzugehen, würden diese Mehreinnahmen gänzlich an die Bürger und Unternehmen des Staates zurückfließen. Bauman schlägt vor, auf diese Weise die Umsatzsteuer des Staates um einen Prozentpunkt zu senken, eine Firmensteuer für Industrieunternehmen abzuschaffen und den rund 460.000 ärmsten Familien in Washington State, die schon jetzt mittels der Negativsteuer aus dem Bundeshaushalt unterstützt werden, zusätzlich bis zu 1500 Dollar pro Jahr in Form eines „Working Families Tax Rebate“ zukommen zu lassen.

(c) Die Presse

Das wäre ein politisch machbares Modell, das beide ideologischen Lager ansprechen sollte, sagt Bauman im Gespräch mit der „Presse“: „Klimapolitik ist seit Langem eine Sache der politischen Linken. Und die Linke hat kein Interesse an Maßnahmen, die einkommensneutral sind. Wir verfolgen einen einkommensneutralen Zugang aus politischen Gründen, weil wir überparteilich sein wollen.“

Umfragen zeigen, dass Baumans Kampagne für I-732 Erfolg haben könnte. Ende Oktober ergab eine Umfrage, dass 40 Prozent der Bürger von Washington State diese Steuer unterstützen, während 32 Prozent sie ablehnen. 28 Prozent sind noch unentschlossen.

Vorbild British Columbia

Zu Anschauungszwecken brauchen die Wähler bloß über die Grenze zu ihren nördlichen Nachbarn in der kanadischen Provinz British Columbia zu schauen. Dort wurde genau so ein Modell im Jahr 2008 eingeführt. Seither ist der Treibstoffverbrauch im Vergleich zu ganz Kanada gesunken (siehe Grafik). Dennoch gibt es von unerwarteter Seite Widerstand gegen Baumans Plan einer einkommensneutralen Ökosteuer. Mehrere Umweltgruppen, Gewerkschaften und die Demokratische Partei von Washington State haben sich gegen I-732 ausgesprochen.

Während manche Kritiker davor warnen, dass die Steuer dem Staat entgegen ihrem Versprechen in den ersten vier Jahren zwischen 80 und 200 Millionen Dollar an Steuerausfällen bescheren könnte, ist die Motivation der grünen Gruppen anders. Sie wollen, dass die Mehreinnahmen vom Staat für diverse klimapolitische Unterfangen ausgegeben werden, etwa Solarenergie oder thermische Sanierung von Bauten. Bauman nimmt die paradox wirkende Kritik der Klimaschützer gelassen: „Sie machen das Perfekte zum Feind des Guten – oder, genauer, das nicht Existente zum Feind des Guten. Denn sie legen keine eigene, detaillierte Alternative vor.“

Zudem finden sich die Ökogruppen damit in einer skurrilen Allianz mit Energieversorgern, Papierindustriellen und Erdäpfelverarbeitern, die rund 300.000 Dollar an Werbung gegen die Steuer eingesetzt hätten, kritisiert Bauman. „Die Energieversorger, die mehr Kohle in ihrem Portfolio haben, als sie es zugeben. Und die anderen Unternehmen, die gegen uns sind, haben im bestehenden Steuersystem günstige Sonderkonditionen bekommen. Sie zahlen also derzeit kaum Unternehmensteuern und würden von deren Senkung folglich kaum profitieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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