Kern will mehr Ökostrom, aber weniger dafür bezahlen

Windraeder
WindraederAPA/dpa-Zentralbild/Jens Wolf
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Bis 2030 soll sich Österreich vorwiegend mit Ökostrom selbst versorgen können. Dafür will der Kanzler das Fördersystem für Ökostrom komplett umkrempeln. Nur die günstigsten Anbieter sollen zum Zug kommen.

Wien. Nicht nur SP/FP-Wechselwähler, Jungunternehmer und Schüler, deren Eltern ihnen das Tablet verweigern, bekamen am Mittwochabend von Kanzler Kern (SPÖ) genau das zu hören, was sie hören wollten. Auch für die heimische Energieszene hatte der frühere Strommanager im staatlichen Verbundkonzern die passenden Schlagworte parat: „Wir wollen einen revolutionären Umbau unserer Energiesysteme erreichen“, sagte der Kanzler. Spätestens im Jahr 2030 solle Österreich seinen Strombedarf komplett mit einheimischer Produktion decken können. Derzeit liegt der Eigenversorgungsanteil bei 85 Prozent.

Bei Österreichs Stromerzeugern wurde diese Ansage mit Begeisterung aufgenommen. Schließlich stellte der Sozialdemokrat ihnen eine (private) Investitionsspritze von 40 Milliarden Euro für mehr Windkraft, Wasserkraft, Fotovoltaik und Netze in Aussicht. 25 Milliarden Euro wären dabei inländische Wertschöpfung. Diese Summe solle nicht nur 45.000 neue Arbeitsplätze bringen und die Stromversorgung sichern, sondern dem Land auch milliardenschwere Importe von Öl und Gas ersparen.

Mobilisieren will der Kanzler die 40 Milliarden Euro an privatem Kapital mit einer radikalen Neugestaltung des bisherigen Fördersystems für Ökostrom. „Wir fördern nicht die besten, effizientesten und saubersten, sondern wir fördern Technologie, die die besten Lobbyisten hat“, sagte der SPÖ-Politiker. Derzeit gibt es fixe Förderquoten und -tarife für alle erneuerbaren Energieträger. Das System müsse „viel, viel effizienter“ werden, damit bis 2030 rund 260 Prozent mehr geförderter Ökostrom auf den Markt gebracht werden könne – ohne die Kosten für Stromkunden und Steuerzahler weiter in die Höhe zu treiben.

Heftige Kritik an geplanten Auktionen

Mit derzeit üblichen fixen Einspeisetarifen sei das nicht möglich. Stattdessen will Kern in Zukunft vor allem Investitionszuschüsse an Ökostromproduzenten versteigern. Ähnlich wie etwa in Deutschland soll dabei der Anbieter den Zuschlag erhalten, der die Kilowattstunde Ökostrom am günstigsten liefern kann – und zwar unabhängig davon, ob dafür Windräder, Solaranlagen oder Wasserkraftwerke zum Einsatz kommen. Im Schnitt werde eine Kilowattstunde Ökostrom dann noch fünf bis sieben Cent an Förderung benötigen. Heute sind es – je nach Alter und Art der Anlage – bis zu zehn Mal so viel. Zudem werde es weniger teure Ausnahmen für Kleinanlagen geben. Neue Biomasse- und Biogasanlagen (meist in Besitz von Bauern) sollen gar keine Chance auf Förderung mehr haben. Ein Punkt, der mit dem bisherigen Koalitionspartner ÖVP schwer umzusetzen sein dürfte.

Spätestens mit der Ankündigung von Förderauktionen hat Kern einen Teil der Ökoszene schon wieder verloren. Nicht nur die Biomasselobby, auch andere Ökostromvertreter kämpfen seit Jahren gegen das (auch in EU und ÖVP favorisierte) technologieneutrale Vergabesystem. Sie kritisieren, dass kleine Anbieter dadurch sukzessive aus dem Markt gedrängt würden und die Gewinner dieser Auktionen die Projekte danach oft nicht realisieren würden. Damit werde aus der Energiewende für alle eine Energiewende für die Konzerne. Auch der Umweltdachverband sowie die Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace kritisierten die Förderpläne als unausgegoren. Der WWF bezweifelt, dass der Ökostromausbau durch technologieneutrale Ausschreibungen so vorangetrieben werden könne, dass die Umwelt dadurch nicht in Mitleidenschaft gezogen werde.

Kein kompletter Ausstieg aus Fossilen

Spannend ist auch, was in Sachen Energie keinen Platz in der Kanzlerrede hatte. Kein Wort von einem kompletten Ausstieg aus fossiler Energie, wie ihn Umweltschützer und auch manche Klimaforscher fordern. Auch die ökosoziale Steuerreform, die das VP-geführte Umweltministerium seit Jahren als besten Weg preist, um im Umweltbereich etwas voranzubringen, erwähnte Kern nicht. Auch der Umweltdachverband drängt schon lange auf eine ökologische Steuerreform, um umweltschädliche Subventionen abzubauen, Autofahren zu verteuern und die Finanzierung des Staates auf neue Beine zu stellen. All das sparte Kanzler Kern aus. Ist es ihm nicht wichtig? Oder wollte er – bei so viel Scheinwerferlicht – schlicht das Wörtchen CO2-Steuer nicht in den Mund nehmen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2017)

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