Der größte Ölboom steht uns noch bevor

(c) REUTERS (Sergei Karpukhin)
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Die Internationale Energieagentur sieht die USA als neue Macht im Öl- und Gasgeschäft. Im Rest der Welt heben die erneuerbaren Energieträger ab. Wie schnell, entscheidet Peking.

Wien. Das Ende von „Big Oil“ wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Obwohl die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten einen Großteil ihrer Investitionen in den Stromsektor für Erneuerbare ausgeben wird, dürfte zeitgleich der größte Öl- und Gasboom der Geschichte stattfinden, erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem aktuellen „World Energy Outlook 2017“. Bis 2025 werden die Vereinigten Staaten um acht Millionen Fass Öl und Gas mehr aus ihrem Schiefergestein pressen können als 2010. Damit hängen die USA sowohl Saudiarabien (Öl) als auch die frühere Sowjetunion (Gas) als bisherige Wachstumsrekordhalter ab. Amerika steige vom größten Ölabnehmer der Welt zum „unumstrittenen Führer“ im Öl- und Gasgeschäft auf, sagt IEA-Direktor Fatih Birol. Erdgas entwickle sich ohnedies gerade zum Energieträger der Zukunft. Aber es sei auch „viel zu früh, den Nachruf auf Öl zu verfassen“. Bis 2040 werde der Bedarf nach dem fossilen Brennstoff stetig steigen. 80 Prozent des notwendigen Wachstums steuern aller Voraussicht nach die USA bei.

Das liegt auch daran, dass die IEA in ihrem Hauptszenario von einem eher langsamen Anstieg der Zahl an Elektroautos von derzeit zwei auf 50 Millionen 2025 und knapp 300 Millionen im Jahr 2040 ausgeht. Die Zahl der Pkw auf der Straße soll sich bis dahin auf zwei Milliarden verdoppeln.

30 Prozent mehr Energie als heute

Der globale Energiehunger wird nach Ansicht des Energie-Thinktanks der Industrieländer deutlich langsamer steigen als bisher. Doch trotz aller Effizienzbemühungen dürfte die Menschheit im Jahr 2040 noch einmal um 30 Prozent mehr Energie brauchen als heute – das entspricht etwa einem Zuwachs um den jetzigen Bedarf von China und Indien zusammen.
Die steigende Nachfrage werde vor allem durch Erdgas und erneuerbare Energieträger gedeckt werden. Der Verbrauch von Erdgas dürfte nach Ansicht der IEA um 45 Prozent steigen. Die Erneuerbaren wiederum profitieren vor allem vom erwartet raschen Anstieg der Stromerzeugung. 40 Prozent der 2040 weltweit erzeugten Elektrizität soll demnach Ökostrom sein. Heute liegt dieser Wert global bei 24 Prozent (in Österreich hingegen bei mehr als zwei Dritteln). Der Anteil fossiler Brennstoffe fällt von derzeit zwei Dritteln auf gut die Hälfte.

Die rapide fallenden Kosten für Solarzellen werden Sonnenenergie etwa in China zur günstigsten Stromart machen. In den vergangenen sieben Jahren sind die Kosten für neue Solarzellen um 70 Prozent gesunken, jene für Windkraftwerke um ein Viertel und die Preise für Batteriespeicher um 40 Prozent. Fotovoltaik werde dank enormer Investitionen aus Indien und China die stärksten Zuwachsraten im Bereich der erneuerbaren Energieträger sehen. In Europa dürfte hingegen Windkraft den größten Teil des erneuerbaren Stroms sicherstellen.

Meister Ökostrom ist „made in China“

Die Volksrepublik ist es auch, die nach Ansicht der Autoren darüber entscheiden wird, wie schnell die Erneuerbaren weltweit aufsteigen können. Ein Drittel aller neuen Wind- und Solarkraftwerke wird bis 2040 in China gebaut werden. Ebenso rund 40 Prozent aller zusätzlichen Elektroautos. Unterdessen schwinde die Bedeutung von Kohle im von Umweltschäden geplagten Land weiter, und auch das Szepter als weltgrößter Ölkonsument könne Peking spätestens 2025 an den Nachbarn Indien weitergeben.

„Die Entscheidungen, die China fällt, werden eine große Rolle in der gesamten Welt spielen und könnten einen schnelleren Übergang zu sauberen Energien ermöglichen“, schreiben die Autoren des IEA-Berichts.
Die Richtung scheint in jedem Fall klar. Seit vier Jahren machen Ökostrom- und Atomkraftwerke mehr als die Hälfte der neu installierten Erzeugungskapazitäten im Land aus. Schon heute erzeugt kein Staat mehr Wind-, Solar- und Wasserkraft als die Volksrepublik.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2017)

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