Merkel schließt Eurobonds aus: „Solange ich lebe“

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Merkel schliesst Eurobonds ndash(c) Reuters (THOMAS PETER)
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Eine so klare Absage an Eurobonds ist neu. Die überraschende Festlegung der Kanzlerin verrät ausgesprochen viel von der deutschen Linie in der Europolitik.

Berlin. Bei den Liberalen spricht es sich offenbar freier. Vor der FDP-Fraktion hat sich Angela Merkel zu einer Formulierung hinreißen lassen, die im Rest Europas auf Irritationen stößt. Zwei Tage vor dem nächsten Schicksals-Gipfel in Brüssel gelobte die deutsche Kanzlerin: Eine gesamtschuldnerische Haftung, etwa über Eurobonds, wird es nicht geben – und zwar „solange ich lebe“. Spontan riefen einige liberale Abgeordnete: „Wir wünschen Ihnen ein langes Leben“.

Eine so klare Absage an Eurobonds ist neu. Bisher lautete die deutsche Sprachregelung: Es kann sie später einmal geben, als letzter Schritt einer zentral kontrollierten Fiskalpolitik, mit Eingriffsrechten in nationale Budgets, wenn Vorgaben nicht eingehalten werden. Wer haftet, muss auch kontrollieren und strafen können, lautet das Credo. Doch in ihrer gestrigen Regierungserklärung nahm Merkel ihre Aussage nicht zurück, sondern erklärte sie eher: Eurobonds seien verfassungsrechtlich nicht möglich, und „ich halte sie auch ökonomisch für falsch und kontraproduktiv“. Sie fürchte, dass in Brüssel wieder viel zu viel über „eine gemeinschaftliche Haftung und viel zu wenig über verbesserte Kontrollen und Strukturmaßnahmen gesprochen wird“.

Das gibt die deutsche Linie nun klarer wieder als der konziliante Ton der letzen Monate. Tatsächlich setzt Berlin die Hoffnung darauf, dass Strukturreformen und eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit den Euro-Krisenländern aus der Misere helfen – so wie sie auch Deutschland einen Wirtschaftsboom beschert haben. Weil das dauert, soll Zeit geschaffen werden – durch Rettungsschirme und eine Zentralbank, die ihr Mandat zumindest strapaziert. Erste Erfolge, etwa in Portugal und Irland, werden fast nur von deutschen Ökonomen gefeiert. Sie sollen zeigen, dass eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit auch unter dem Korsett des Euro möglich sind, und zwar weniger schmerzvoll, als es die angelsächsischen Kassandra-Rufer vermuten, die fast täglich den Zusammenbruch des Euro verkünden.

Gar nichts hält Merkel, wie schon in der Finanzkrise, von schuldenfinanzierten Konjunkturprogrammen. Der „Wachstumspakt“ ist nur ein inhaltsarmes Zugeständnis an Frankreichs neuen Präsidenten Hollande. Und eine gemeinsame Haftung soll es nur gegen Abtrennung von Souveränitätsrechten nach Brüssel geben. Das würde Verfassungsänderungen erfordern, die das Volk per Abstimmung demokratisch legitimieren müsste. Dass so etwas in absehbarer Zeit und in allen Eurostaaten gelingen kann, mag Visionär Schäuble glauben. Merkel glaubt es nicht, sie hat ihren Finanzminister zurückgepfiffen. Das macht sie populär: 80 Prozent der Deutschen lehnen Eurobonds ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2012)

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