Gewalttätige Massendemonstrationen gegen Sparpakete

Massendemonstrationen gegen Sparpakete
Massendemonstrationen gegen Sparpakete(c) AP (Andres Kudacki)
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In Portugal, Spanien und Frankreich kam es am Wochenende zu teilweise gewalttätigen Protesten gegen die Sparprogramme der Regierungen. Vor allem in Madrid ist die Stimmung auf dem Siedepunkt.

Madrid,lissabon,paris/Ag. Nur zwölf Verletzte und zwei Festnahmen bilanzierte die Madrider Polizei nach den Demonstrationen von Samstagabend. Es war eine der friedlicheren Kundgebungen gegen das Sparpaket der Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy. Dreimal gingen die Menschen diese Woche bereits auf die Straße, zogen zu Tausenden Richtung Parlament. Am Dienstag hatten Zusammenstöße zwischen gewalttätigen Extremisten und der Polizei 64 Verletzte und 35 Festnahmen gefordert. Die jüngste Demonstration war nicht angemeldet. Mehrere linksgerichtete Gruppen hatten via Internet zum Protest aufgerufen.

Erst am Donnerstag hatte die konservative Regierung für kommendes Jahr drastische Kürzungen und Einsparungen im Ausmaß von 40Milliarden Euro beschlossen. Heuer wird Spanien das angepeilte Haushaltsziel nicht erreichen, weil mehr Geld als ursprünglich befürchtet zur Rettung der angeschlagenen Banken aufgebracht werden muss. Noch im April bezifferte die Regierung den Schuldenberg mit 78 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Tatsächlich wuchsen die Schulden der viertgrößten Volkswirtschaft im Euroraum dieses Jahr auf 85,3 Prozent des BIPs. Ende 2013 wird dieses auf 90,5 Prozent angestiegen sein. Nach dem EU-Stabilitätspakt dürften es nur 60 Prozent sein.

Die Aufrufe der Wirtschaftsexperten und konservativen Politiker, den Gürtel aufgrund der Schuldenkrise enger zu schnallen, klingen für viele Spanier wie ein Hohn. Knapp 24 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Von den unter 24-Jährigen finden 53 Prozent keine Beschäftigung. Damit weist das Land die höchste Arbeitslosigkeit in Europa auf.

Krise stärkt Nationalisten

In der Krise bekommen nicht nur linke Gruppen, sondern auch Separatisten vermehrt Zulauf. Bei den Regionalwahlen in Katalonien und im Baskenland zeichnen sich hohe Zugewinne jener Kräfte ab, die nach Unabhängigkeit von Spanien streben. In der angespannten Situation reagierte Regierungschef Rajoy am Samstag außergewöhnlich heftig. Die Separatisten wollen „Spanien kaputt machen“, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung in der baskischen Hauptstadt Vitoria. Laut einer Umfrage würden mittlerweile 51Prozent der Einwohner Kataloniens für eine Abspaltung stimmen.

Auch in Portugal gingen Samstagabend Zehntausende auf die Straße, um gegen die Sparpolitik der Mitte-rechts-Regierung zu demonstrieren. Die von der Gewerkschaft initiierte Kundgebung in Lissabon verlief friedlich. Doch es scheint, dass dies nur der Beginn eines landesweiten Protests gewesen ist. Gewerkschaftschef Armenio Carlos kündigte einen „großen Generalstreik“ an. Wann dieser stattfinden soll, wird am Mittwoch beim Gewerkschaftskongress festgelegt. Portugal hält bei einer Arbeitslosenquote von 15,7 Prozent. Ursprünglich war Ministerpräsident Pedro Passos Coelho davon ausgegangen, dass der harte Sanierungskurs wirke und für heuer keine weiteren Sparmaßnahmen erforderlich sind. Doch im Sommer sanken aufgrund der Rezession die Steuereinnahmen. Das Defizit lag im ersten Halbjahr bei 6,8 Prozent des BIPs. Da das Land mit seinen Geldgebern für heuer ein Defizit von fünf Prozent ausgemacht hat, sind weitere Einschnitte notwendig.

Proteste in Paris

Am Sonntag kam es auch in Paris zu Protesten. Linksparteien, Gewerkschaften und NGOs hatten gegen die Sparpolitik in anderen Ländern und gegen die bevorstehende Ratifizierung des europäischen Fiskalpakts durch das französische Parlament mobilisiert.

Erst am Freitag hatte die sozialistische Regierung von Präsident François Hollande das Budget 2013 beschlossen. Es sind Steuererhöhungen von 36,9 Mrd. Euro vorgesehen. Wie berichtet bittet Hollande Großverdiener und Konzerne zur Kasse. Der Spitzensteuersatz wird von 41 auf 45 Prozent angehoben. Die 1500 reichsten Franzosen werden mit einer Sondersteuer von 75 Prozent belegt. Die Opposition kritisiert den Versuch, das Budget nur einnahmenseitig zu sanieren. Die Staatsausgaben werden 2013 neulich steigen. Frankreichs Schuldenlast liegt bei 91 Prozent des BIPs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.10.2012)

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