Zypern: Hochspannung vor Euro-Krisentreffen

Zypern Hochspannung EuroKrisentreffen
Zypern Hochspannung EuroKrisentreffen(c) EPA (KATIA CHRISTODOULOU)
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Sonntagabend beraten in Brüssel die Finanzminister der Eurozone über Hilfe für Zypern. Nikosia hat den Widerstand gegen eine Zwangsabgabe für große Guthaben aufgegeben.

Brüssel/Nikosia. Für einen Mann, der das Gewicht seiner Stellungnahmen üblicherweise mit der Goldwaage prüft, fand Olli Rehn dieses Wochenende im Zusammenhang mit Zypern überraschend deutliche Worte: Das am Rande des Bankrotts stehende Land könne nur noch eine von mehreren „schmerzhaften Entscheidungen“ wählen, alle „optimalen Auswege“ seien verwehrt, ließ der EU-Währungskommissar Samstagabend wissen. „Die unmittelbare Zukunft wird für Zypern hart. Doch die Europäische Union steht bereit, beim Wiederaufbau der zyprischen Wirtschaft zu helfen.“

Damit spricht Rehn das aus, was viele Zyprioten auch noch am Sonntag nicht wahrhaben wollten: Für die überschuldete Mittelmeerinsel gibt es kein Zurück mehr. Das Geschäftsmodell der vergangenen Jahre, in denen sich Zypern als niedrig besteuertes Finanzzentrum positionierte, in dem osteuropäisches Kapital willkommen war und wo keine lästigen Fragen gestellt wurden, ist tot – und zwar unabhängig davon, ob sich EU, Internationaler Währungsfonds und Zyperns Regierung noch auf einen Rettungsplan verständigen können oder nicht. Die Entscheidung darüber sollte in der Nacht auf Montag fallen.

Wie berichtet hat die Europäische Zentralbank (EZB) Nikosia bis zum heutigen Montag Zeit gegeben, jene 5,8 Milliarden Euro aufzutreiben, die als Conditio sine qua non für das internationale Hilfspaket im Umfang von zehn Milliarden Euro gelten. Sollte Staatschef Nikos Anastasiadis scheitern, stehen den zyprischen Banken ab Mitternacht keine EZB-Gelder mehr zur Verfügung – Zypern wäre damit de facto aus der Eurozone ausgeschieden und müsste eine eigene Währung einführen.

Die Rettung Zyperns steht und fällt mit der Frage, inwieweit die Inhaber zyprischer Bankkonten an den Kosten des Hilfsprogramms beteiligt werden. Der ursprüngliche, von zypriotischen Parlamentariern abgelehnte Plan sah eine Sonderabgabe von 9,9 Prozent für Guthaben über der 100.000-Euro-Schwelle vor, darunter sollte ein Steuersatz von 6,75 Prozent gelten. Der im Gegenzug lancierte zyprische Plan B, der ein Potpourri aus diversen (fraglichen) Einnahmequellen vorsah, darunter Pensionsgelder und Kirchengüter, wurde wiederum von Deutschland abgelehnt.

Besorgnis um Wohl der Auslandsanleger

Dem Vernehmen nach war Anastasiadis vor allem um das Wohl der ausländischen Kontoinhaber besorgt – rund die Hälfte der knapp 70 Milliarden Euro auf Zyperns Konten soll aus dem Ausland stammen, ein Gutteil davon aus Russland. Die nicht ausgesprochene Hoffnung des Präsidenten: Fällt die Zwangsabgabe halbwegs überschaubar aus, hat Zypern noch eine Zukunft als Finanzzentrum. Doch angesichts der Tatsache, dass die Sanierung auf Kosten der Kleinsparer politisch nicht durchzusetzen war, scheint man sich in Nikosia mit dem Ende des bisherigen Geschäftsmodells abgefunden zu haben.

Sollten die jüngsten Meldungen zutreffen, dann versucht die zypriotische Regierung nun, einen möglichst hohen Anteil der Kosten den Großkunden der Banken zuzuschieben. Demnach sollen bei der Bank of Cyprus, der Nummer eins des Landes, Inhaber von Guthaben ab 100000 Euro mit 25 Prozent zur Kasse gebeten werden. Kunden der Leiki Bank hingegen dürften noch mehr zahlen – das zweitgrößte Institut wird in eine „gute“ und eine „schlechte“ Bank aufgeteilt –, und alle großen Guthaben landen in der zweiten Gesellschaft, die dann wohl abgewickelt wird. Bei den restlichen Banken sollen Konten ab 100.000 Euro vier Prozent beitragen, darunter bleibt alles unangetastet.

Nordeuropa mit Geduld am Ende

Ob diese Vorschläge ausreichen werden, um die internationalen Helfer in spe zu überzeugen, blieb vor dem Krisentreffen der Euro-Finanzminister in Brüssel am Sonntagabend, dessen Beginn um drei Stunden auf 21 Uhr nach hinten verschoben wurde, fraglich. Denn in Nordeuropa wächst offenbar die Bereitschaft, an Zypern ein Exempel zu statuieren. Nach einer gestern veröffentlichten Umfrage sprechen sich bereits 56 Prozent der Holländer für einen Hinauswurf Zyperns aus der Eurozone aus. Was dann passieren würde, darüber scheiden sich die Geister: Während Mahner Zypern als ersten Dominostein sehen, der eine Kettenreaktion auslösen könnte, beziffern Ökonomen von der französischen IESEG School of Management Europas maximales Verlustrisiko in Zypern mit gerade einmal 27 Milliarden Euro – ein Überschwappen der Krise ließe sich also verhindern.

Doch auch die Zustimmung der Betroffenen ist nicht sicher: „Das ist für keinen Zyprioten akzeptabel“, war am Wochenende von allen Seiten zu hören. „Dann ist es vorbei mit dem Euro für uns.“ Das sei bewusste Zerstörung zigtausender Existenzen. Im Gegensatz zu dem, was in Brüssel zu hören ist, wo das meiste Geld den Russen zugeschrieben wird, haben viele Zyprioten Großkonten bei den eigenen Banken gelagert, etwa ihre Pensionsabfertigungen; auch Pensionsfonds und andere Organisationen lagern Guthaben auf Bankkonten.

Auf einen Blick

Kehrtwende in Nikosia. Offenbar sollen nun doch die Großkunden der Banken zur Kasse gebeten werden. Der jüngste zyprische Vorschlag sieht offenbar eine Zwangsabgabe von 25 Prozent für alle Kunden der Bank of Cyprus vor, die mehr als 100.000 Euro auf dem Konto haben. Bei den anderen Instituten sollen vier Prozent anfallen. Pech haben indes Kunden der maroden Leiki Bank: Sie wird in eine „gute“ und eine „schlechte“ Gesellschaft geteilt – Letztere dürfte dann im Zuge der Rettung größtenteils abgewickelt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.03.2013)

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