EU knüpft Steuerfangnetz enger

Steuerfangnetz Eu Faymann
Steuerfangnetz Eu Faymann(c) APA/BKA/ANDY WENZEL (BKA/ANDY WENZEL)
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Bis Jahresende soll geklärt sein, für welche Einkommen der automatische Informationsaustausch künftig gelten soll. Damit fällt auch das Bankgeheimnis.

Brüssel. Wenn Angela Merkel kurz vor Beginn eines EU-Gipfels von einem „Riesenschritt nach vorn“ spricht, kann dies auf zwei Arten gedeutet werden: Entweder ist die Tragweite der auf der Tagesordnung stehenden Beschlüsse enden wollend, oder es wurde alles im Vorfeld abgesprochen. Im Falle des Treffens am Mittwoch waren beide Interpretationen zutreffend: Überspitzt formuliert haben die europäischen Staats- und Regierungschefs beschlossen, sich für die Klärung kontroverser Fragen Zeit bis Jahresende einzuräumen, um den straffen Fahrplan der gestrigen Veranstaltung nicht zu gefährden. Einer der Gründe dafür war der am Abend beginnende Parteitag der deutschen Sozialdemokraten in Leipzig, zu dem unter anderem der französische Präsident François Hollande und Bundeskanzler Werner Faymann geladen waren – sowie Merkel selbst, die den Gepflogenheiten der Bundesrepublik zufolge bei der Tagung der Konkurrenz ebenfalls erwartet wurde.

Der von der Kanzlerin angesprochene Riesenschritt bezog sich jedenfalls auf den internationalen Kampf gegen Steuerhinterziehung – das eigentliche Thema des Gipfels neben der EU-Energiepolitik (siehe unten). „Es wird jetzt endlich in der EU auch einen Austausch über die notwendigen Daten geben, und es wird auch Verhandlungen mit den Drittstaaten auf einheitlicher Grundlage geben.“ Die Kanzlerin sprach damit das Treffen der EU-Finanzminister vergangene Woche an, bei dem Österreich und Luxemburg ihren Widerstand gegen Verhandlungen mit der Schweiz, Monaco, Andorra, San Marino und Liechtenstein über den Austausch von Kontoinformationen aufgegeben hatten. Bundeskanzler Faymann bekräftigte am Mittwoch, dass Wien dem automatischen Datenaustausch bis Jahresende zustimmen werde – derzeit halten Österreich und Luxemburg Informationen über Konten von EU-Ausländern zurück und führen stattdessen eine pauschale Quellensteuer ab. Dieses Bankgeheimnis für Nichtösterreicher dürfte dann 2015 fallen.

Arbeit auf zwei Baustellen

Komplex wird die Angelegenheit dadurch, dass die EU zugleich auf zwei Baustellen werkt: Neben Verhandlungen mit Drittstaaten muss nämlich auch die Verhandlungsbasis geklärt, also die Reform der Richtlinie über Zinsbesteuerung unter Dach und Fach gebracht werden. Aktuell werden nur die Zinserträge von Privatpersonen erfasst, in Zukunft sollen Einkünfte aus bestimmten Lebensversicherungen, Trusts, Stiftungen usw. hinzukommen – in welchem Umfang, ist noch offen. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich gestern darauf, diese Erweiterung der Zinsrichtlinie bis Jahresende zu beschließen. Im Umkehrschluss bedeutet dies allerdings, dass die Gespräche mit der Schweiz und Co. vorerst wenig konkret bleiben müssen. Luxemburg will nämlich sicherstellen, dass der Geltungsbereich für den automatischen Datenaustausch innerhalb der EU nicht größer ist als im Umgang mit den Drittstaaten. Die derzeit geltende Richtlinie aus dem Jahr 2003 ist ein Auslaufmodell und taugt deshalb nicht als Verhandlungsbasis.

Als Nebenbaustelle besonderer Art erwiesen sich steuerschonende Praktiken multinationaler Unternehmen, die ihre Gewinne grenzüberschreitend verschieben, um die Steuerlast zu minimieren – beliebte Destinationen sind in diesem Kontext Irland und die Niederlande. Aufgeflammt ist das Thema zuletzt durch den US-Konzern Apple, der in seiner Heimat im Kreuzfeuer der Kritik steht. Irlands Premierminister Enda Kenny wies gestern alle Vorwürfe zurück, wonach Apple die Schlupflöcher des irischen Steuersystems über Gebühr beanspruche. „Wir haben keine Ausnahmevereinbarungen mit irgendwelchen individuellen Unternehmen“, sagte Kenny. Nach Brüsseler Schätzungen entgehen den EU-Staaten pro Jahr eine Billion Euro durch legale Steuerakrobatik seitens der Firmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2013)

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