Geldpolitik: Draghi verspricht Europa Wachstum

Geldpolitik: Draghi verspricht Europa Wachstum
Geldpolitik: Draghi verspricht Europa Wachstum(c) REUTERS (LISI NIESNER)
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Europas oberster Notenbanker, EZB-Chef Mario Draghi, sieht Licht am Ende des Tunnels. Auch dank des umstrittenen Kurses der EZB. In den USA läuft es so gut, dass die Fed ihre Geldpolitik straffen will.

Shanghai/Stockholm/WIen/AG./Auer. Richtiges Wachstum war es nicht, was EZB-Chef Mario Draghi bei seinem Blick in die Glaskugel für die Eurozone gesichtet haben will. Aber immerhin eine „sehr langsame Erholung“ versprach der oberste Euro-Notenbanker den leidgeprüften Volkswirtschaften des Kontinents für heuer. „Die Wirtschaftslage im Euroraum ist nach wie vor schwierig, aber Anzeichen einer möglichen Stabilisierung sind zu erkennen“, sagte er bei einer Rede in Shanghai.

Industrie schrumpft langsamer

Mit diesen Worten machte der Italiener nicht nur den Europäern Hoffnung, dass sie endlich aus der bis dato längsten Rezession in der Europäischen Union herausfinden könnten. Er bestätigte auch den umstrittenen Kurs seines eigenen Hauses. Seit Jahren flutet die Europäische Zentralbank die Märkte mit frischen Milliarden, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Belege, dass die expansive Geldpolitik tatsächlich Früchte trägt, fehlten bisher allerdings.

Nun stellt Draghi diese Erfolge für Ende des Jahres in Aussicht. Etliche statistische Daten stützen die Prognose des Notenbankchefs. So schrumpfte etwa die Industrieleistung in der Eurozone im ersten Quartal langsamer als erwartet. Für Draghi ist klar: Das ist (auch) das Resultat seiner „höchst entgegenkommenden Geldpolitik“. Anfang Mai hatte die EZB den Leitzins in der Eurozone auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt, um die Kosten für Kredite an die Unternehmen zu verringern und so die Konjunktur anzuheizen. Mit Frankreich, Italien und Spanien stecken derzeit drei der größten Volkswirtschaften innerhalb der Eurozone in der Rezession. In allen drei Ländern ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie zuletzt in den Siebzigerjahren.

In seiner Rede bekräftigte Mario Draghi auch, dass die EZB bereit sei, den Zinssatz weiter zu senken, wenn sich die Wirtschaft verschlechtere. Die meisten Beobachter rechnen allerdings damit, dass die EZB den Leitzins vorerst nicht anrühren wird.

EZB in Deutschland vor Gericht

Kommende Woche steht eine weitere umstrittene Krisenmaßnahme der EZB in Deutschland auf dem Prüfstand. Die Karlsruher Verfassungsrichter müssen entscheiden, ob das Programm zum unlimitierten Ankauf von Staatsanleihen gefährdeter Volkswirtschaften durch die EZB rechtens ist oder nicht. Der deutsche Verein „Mehr Demokratie“ hatte gegen die Einführung des Programms geklagt.

Bisher ist die Krisenmaßnahme nur eine theoretische Variante. Sie wurde noch kein einziges Mal in Anspruch genommen. Mario Draghi verteidigte das Programm am Montag vehement. Schon die Ankündigung allein habe in den vergangenen Monaten zu einer Beruhigung der Finanzmärkte geführt. Eine Atempause, die Regierungen nutzen sollten, um Reformen umzusetzen.

Stoppt die Fed ihre Anleihekäufe?

In den USA gibt es zeitgleich die umgekehrte Entwicklung: Die Leitzinsen liegen seit Dezember 2008 beinahe bei null. Zudem startete die US-Notenbank Fed, selbst Anleihen aufzukaufen. Geht es nach John Williams, Präsident der Notenbank von San Francisco, könnte es damit bald wieder vorbei sein. Die amerikanische Wirtschaft erhole sich gut, sagte er in Stockholm. Er erwartet heuer ein Wachstum von 2,5 Prozent und 2013 von 3,25 Prozent. Wenn nichts passiert, könne die Fed schon im Sommer weniger Anleihen kaufen und gegen Ende des Jahres ganz damit aufhören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2013)

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