„Marshallplan“ für die Stahlindustrie

Marshallplan fuer Stahlindustrie
Marshallplan fuer Stahlindustrie(c) EPA (Patrick Pleul)
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Die EU will der kriselnden Industrie mit einem Maßnahmenbündel unter die Arme greifen. Dazu gehört auch eine Entlastung bei Energiekosten und im Emissionshandel.

Brüssel/Wien/Eid/La. Europas Stahlkocher haben schon viele schlechte Jahre überwunden. Seit der Krise 2008/09 verschiebt sich die Hoffnung auf gute Zeiten aber mit jedem Jahr nach hinten. Die schleppende Nachfrage aus Schlüsselbranchen wie der Automobil- und der Bauindustrie sowie die mächtige Konkurrenz aus China haben die Erzeuger von Massenstahl mit ArcelorMittal an der Spitze in eine schwere Krise gestürzt. Rund 140 Mio. Tonnen Stahl wurden in Europa im Vorjahr erzeugt, damit ist der Kontinent nach China die Nummer zwei weltweit. Die Anlagen haben Kapazität für 210 Mio. Tonnen.

50 bis 80 Mio. Tonnen zu viel

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt die Überkapazitäten in Europa auf 80 Mio. Tonnen. Der Präsident des europäischen Stahlverbands Eurofer, Voest-Chef Wolfgang Eder, spricht „nur“ von 40 bis 50 Mio. Tonnen. Auch Eders nicht so pessimistische Annahme macht klar: Europas Stahlindustrie braucht dringend eine Strukturbereinigung. „Sonst wird das existenzbedrohend“, sagte Eder kürzlich.

EU-Industriekommissar Antonio Tajani hat am Dienstag im Europaparlament den lange erwarteten Aktionsplan präsentiert. Er soll der schwächelnden Branche neue Perspektiven geben. Nach Angaben der EU-Kommission arbeiten rund 410.000 Menschen in der Stahlbranche, 1970 war es eine Million. Käme es tatsächlich zur rigorosen Flurbereinigung, wären 100.000 Jobs gefährdet. Allein 2012 wurden 40.000 Jobs abgebaut.

Tajani will den Anteil der Stahlindustrie am EU-BIP bis 2020 von derzeit 15,2 auf 20 Prozent steigern. Allerdings hat die Nachfrage nach Stahl seit Beginn der Krise um 27 Prozent abgenommen. Der Aktionsplan sieht nun vor, die Nachfrage nach europäischem Stahl sowohl auf dem heimischen Markt als auch im Ausland zu stützen und dafür zu sorgen, dass die EU-Stahlproduzenten dank fairer Handelspraktiken Zugang zu Drittmärkten haben.

Zudem sollen die Kosten für die Branche reduziert werden, was besonders die Energie und den Emissionshandel betrifft. Die kurzfristige Senkung der Energiekosten für energieintensive Industrien werde aber von den Staaten selbst abhängen.

Tajani will 280 Mio. Euro EU-Gelder lockermachen, um Innovationen anzukurbeln. Zudem sollen aus dem EU-Sozialfonds harte Maßnahmen abgefedert werden. Die Stahlstiftung der Voestalpine gilt dabei als Modellfall bei einem Stellenabbau. Staatliche Eingriffe in Form von Subventionen zur Aufrechterhaltung kränkelnder Betriebe sind indes tabu. Allerdings soll das Beihilfenrecht bis Ende 2013 ohnedies modernisiert werden. Eine aus Vertretern von Industrie, EU und Gewerkschaften bestehende Taskforce soll den Hilfsplan evaluieren und in einem Jahr Ergebnisse vorlegen.

„Wichtiger Meilenstein“

Eder bezeichnete den Aktionsplan als „wichtigen Meilenstein in der politischen Debatte über die Sicherung der Zukunft von Europa“. „Es geht zukünftig um erforderliche Umstrukturierungen vor dem Hintergrund hoher Energie- und Rohstoffpreise in Europa, strenge europäische regulatorische Rahmenbedingungen, handelspolitischen Protektionismus und klimapolitische Ziele, die mit den gegenwärtigen technologischen Möglichkeiten nicht erreicht werden können,“ betonte Eder. Auf die speziellen Instrumente zur Bewältigung der Aufgaben werde aber nicht näher eingegangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2013)


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