Nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen in den Krisenländern sind in Bedrängnis. Auch BBC, ZDF, ORF müssen den Gürtel enger schnallen.
Wien. Die Einstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die wohl spektakulärste Sparaktion der griechischen Regierung. Wie ein Paukenschlag hallt die Nachricht durch Europa, andere öffentlich-rechtliche Sender sind alarmiert: ORF-General Alexander Wrabetz hat die Schließung der ERT postwendend als „barbarischen und antidemokratischen Akt" gegeißelt. Was sich derzeit in Griechenland abspielt, ist das Worst-Case-Szenario auf dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksektor. Damit hat niemand gerechnet - trotz der regelmäßig über die Agenturen tickernden Meldungen über Sparzwänge von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Sogar das Role Model, die BBC, macht mit einer verordneten Schlankheitskur von sich reden: 7000 Stellen wurden seit 2004 gestrichen (Stand 2012: 22.000 Mitarbeiter), weitere 2000 müssen bis 2017 gehen - daran konnte auch ein Streik der Mitarbeiter nichts ändern.
Das Problem vieler Öffentlich-Rechtlicher: Sie sind zu groß, zu bürokratisch geworden. Bei der ERT wurden „nur etwa 24 Prozent der Einnahmen für Investition und Produktion ausgegeben, der Rest für die Deckung von Personal- und Betriebskosten", analysiert das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik Berlin. Der Sender gelte als „verschwenderisch und überbesetzt", schreibt der „Spiegel": 2600 Mitarbeiter und 300 Mio. Euro Budget hat(te) die ERT - aber wenig Erfolg: Mit 13,3 Prozent Marktanteil landeten die ERT-Sender zusammen hinter zwei Privaten auf Platz drei.
Zunehmend geraten Öffentlich-Rechtliche unter Rechtfertigungsdruck. In Deutschland hat eine NDR-Mitarbeiterin in ihrer Doktorarbeit festgestellt, „dass den Rundfunkanstalten bislang wesentlich höhere Mittel zur Verfügung standen, als unter den Prämissen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Auftragserfüllung notwendig gewesen wäre". Der Verdacht der Ineffizienz ist nicht neu: Die neun Anstalten der ARD haben 23.000 Mitarbeiter und ein Budget von 6,3 Milliarden Euro - das ist deutlich mehr, als die BBC zur Verfügung hat (4,2 Mrd. Euro). Dazu kommt das ZDF mit weiteren 3600 Mitarbeitern (zwei Mrd. Euro). Nach einem offiziellen Rüffel der Kontrollkommission KEF muss das ZDF nun 75 Millionen Euro einsparen.
Kein Fußball - oder gleich privatisieren
Auch der ORF steht vor Einschnitten: 80 Mio. Euro sollen gespart werden: 17 Mio. Euro hat der Verkauf der Rosenhügelstudios gebracht, 20 Mio. sollen bei Personal und Strukturen, 40 Mio. beim Programm eingespart werden. Dabei steht der ORF im internationalen Vergleich relativ gut da: Er erhält aus Werbung und Gebühren 970 Millionen Euro jährlich - dreieinhalbmal mehr als die ERT hatte. Vor allem in Südeuropa stöhnen die Öffentlich-Rechtlichen unter dem Spardruck: Spaniens RTVE (6500 Mitarbeiter, knapp unter einer Milliarde Euro Budget) kann z. B. keine Fußballspiele der Nationalmannschaft mehr übertragen. In Portugal prüft man angesichts der finanziellen Probleme der RTP, den Sender zu privatisieren. Die zypriotische RIK, die direkt aus dem Staatshaushalt finanziert wird, erhält wegen der Finanzkrise nur noch 26 statt 40 Mio. Euro. Hier ist die Sorge am größten, dass das griechische Beispiel Schule machen könnte. 700 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2013)