Irland: Eher Mogelpackung als Meilenstein

Irlands Premier Enda Kenny ist (verständlicherweise) mächtig stolz.
Irlands Premier Enda Kenny ist (verständlicherweise) mächtig stolz.(c) EPA (JULIEN WARNAND)
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Die gute Nachricht: Irland kann den Rettungsschirm verlassen. Die weniger gute: Das ist nur ein Schritt auf einem langen Weg.

London. Eine geschickt platzierte Ankündigung ist in der Politik manchmal bereits der halbe Erfolg. Man nehme Irland, wo Premier Enda Kenny am Wochenende einen Grund zum Feiern fand: Irland werde bis 15. Dezember das Rettungspaket von Währungsfonds (IWF) und EU aus dem Jahr 2010 über 85 Mrd. Euro verlassen können. „Es heißt nicht, dass unsere finanziellen Nöte vorbei sind“, sagte Kenny. „Aber wenigstens die Zeit des Rettungsschirms ist vorüber.“

Wirtschaft noch blutleer

Die Versuchung, angesichts des Auslaufens der Auflagen der Geldgeber wieder ein oder zwei Augen zuzudrücken, wird bis zum nächsten Wahltermin 2016 wohl übermächtig werden. Sehr zum Missfallen der Finanzmärkte sieht das heute vorgestellte Budget „nur“ Einsparungen von 2,5 Mrd. Euro vor. Der IWF hat 3,1 Mrd. verlangt. Während Finanzminister Michal Noonan verkündet: „Das können wir uns leisten“, kritisiert der Ökonom Conall MacCollie: „Dieses Nachlassen ist etwas beunruhigend, wenn man bedenkt, dass wir noch mindestens zwei harte Sparbudgets brauchten.“ Tatsächlich liegt die Staatsverschuldung Irlands mit 123 Prozent des BIPs weit über den für vertretbar gehaltenen Grenzwerten, und mit einem Budgetdefizitziel von 4,1 Prozent liegt das Euroland weiter meilenweit von den Maastricht-Kriterien entfernt.

Zwar wurde in den ersten Monaten eine Rückkehr des Landes zum Wirtschaftswachstum lautstark bejubelt. Aber mit 0,2 Prozent in den ersten Jahreshälfte 2013 fiel das Plus sehr blutleer aus. Auch der ebenfalls heftig akklamierte Rückgang der Arbeitslosigkeit von 15,5 Prozent im Vorjahr auf 13,3 Prozent relativiert sich, wenn man berücksichtigt, dass den 34.000 neu geschaffenen Jobs mehr als 200.000 Auswanderer gegenüberstehen.

Kenny lancierte seine Erfolgsmeldung aber auch geschickt, um eine deutliche Trübung der IWF-Prognosen für Irland in den Schatten zu stellen. Der Fonds nahm erst in der Vorwoche seine Erwartungen für das Land bis 2018 spürbar zurück. Während die Regierung für 2014 ein Wachstum von 1,8 Prozent einplant, rechnet der Weltwährungsfonds aktuell nur mehr mit 1,4 Prozent. Den größten Auftrieb verleiht dabei ausgerechnet die wieder in die Gänge kommende Wirtschaft des Erzfeinds Großbritannien.

Doch nicht alle sehen das unkritisch: „Es ist uns nicht gelungen, Irland von seiner Abhängigkeit von der Exportwirtschaft zu befreien“, sagt der Ökonom Constantin Gurdiev vom Trinity College Dublin. „Wir haben nicht viele strukturelle Reformen gesehen“, meint sein Kollege Karl Whelan. Die Inlandsnachfrage ist nach 28 Milliarden Euro Budgetkürzungen und Steuererhöhungen seit 2008 im Keller: Eine Familie mit zwei Kindern hat heute 6132 Euro weniger zu Verfügung. Und immer noch hängen die Banken mit 86 Milliarden Euro „bad loans“ wie ein Mühlstein dem ganzen Land um den Hals.

Die Mischung aus harten Einsparungen und vollmundigen Ankündigungen hat dem Land aber schon vor dem Auslaufen des Rettungsschirms in diesem Jahr die Rückkehr auf den Kapitalmarkt gestattet. Die staatliche Vermögensverwaltung sitzt nach erfolgreichem Lancieren von Bonds auf 25 Milliarden Euro. Der von Kenny nun angekündigte Erfolg wurde also bereits längst konsumiert. Philip Lane vom Trinity College: „Der Markt meint heute, dass Irland es schaffen kann. Aber es bleiben große Verwundbarkeiten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2013)

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