US-Kritik: Deutschland als "Klotz am Bein der Eurozone"

File photo of U.S. President Obama and German Chancellor Merkel at Chancellery in Berlin
File photo of U.S. President Obama and German Chancellor Merkel at Chancellery in BerlinREUTERS
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Das US-Finanzministerium schießt sich auf die exportorientierte Wirtschaftspolitik von Kanzlerin Merkel ein. Dabei ist die Lage zwischen den beiden Ländern ohnehin schon angespannt.

Es scheint so, als ob sich die Wogen zwischen Deutschland und den USA noch für längere Zeit nicht glätten werden. Erst erzürnte der NSA-Abhörskandal Kanzlerin Angela Merkel. Jetzt sorgt der halbjährliche Währungsbericht des US-Finanzministeriums für Aufregung. Denn in dem 35-seitigen Dokument wird mit ungewöhnlich scharfen Worten Kritik an der deutschen Wirtschaftspolitik geübt. Während der Eurokrise habe Deutschland einen Rekordhandelsüberschuss angehäuft. Dieser führe zu einer "deflationäre Verzerrung im Euroraum wie auch in der Weltwirtschaft", heißt es darin. Die deutsche Regierung solle sich künftig mehr darauf konzentrieren, das Inlandswachstum anzukurbeln und die Eurozone zu festigen.

Exporte haben sogar Chinas Ausfuhren übertroffen

Die deutschen Nettoexporte von Gütern, Dienstleistungen und Kapital hätten die Ausfuhren aus China 2012 übertroffen, heißt es weiter. In früheren Berichten hatten die USA vor allem die Volksrepublik wegen ihrer Währungspolitik gerügt. Diesmal ist Deutschland ins Zentrum gerückt. Nicht ohne Häme weisen die Amerikaner außerdem darauf hin, dass sie ihr Defizit seit 2009 mehr als halbiert haben. Damit haben sie eine Absprache der G20 eingehalten - entgegen der Zweifel der deutschen Regierung.

Deutsche Medien schenken dem Bericht viel Aufmerksamkeit. "Spiegel Online" fasst die wenig schmeichelhafte Kritik so zusammen: "Im Klartext: Deutschland ist ein Klotz am Bein der Euro-Zone". Das Land stehe bei der Kritik der Amerikaner "in einer Reihe mit China, Japan und Südkorea", schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Und weiter: „In der Kurzzusammenfassung des Berichts greift das Finanzministerium Deutschland sogar als erstes Land auf". Die USA hätten damit ihre Linie verlassen, Deutschland öffentlich nicht zu sehr anzuprangern.

Deutsches Finanzministerium weist Kritik zurück

Ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums wies die Kritik der USA zurück. Deutschlands Wachstum werde von starker Binnennachfrage getrieben, sagte er dem"Wall Street Journal". Auch hätten mehrere Organisationen die deutsche Wirtschaftspolitik positiv beurteilt - darunter der Internationale Währungsfonds (IWF), die Industrieländerorganisation OECD und die EU-Kommission. Auch der "Spiegel"-Korrespondent ist offenbar der Meinung, die USA sollten besser vor der eigenen Tür kehren: "Amerika gilt nicht unbedingt als wirtschaftspolitisches Vorbild, das anderen vorschreiben sollte, wo es langgeht." Das US-Bruttoinlandsprodukt erhole sich nur langsam von der Finanzkrise - "und der jüngste Schuldenstreit, der die Weltfinanz mitbedrohte, schob den Aufschwung nur noch weiter auf."

>>> "Spiegel Online"

>>> "Frankfurter Allgemeine Zeitung"

>>> "Wall Street Journal"

>>> 35-seitiges PDF-Dokument

(Red./APA)

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