Nach Camerons Veto: Neue Debatte um Briten-Rabatt

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EU-Ratschef Herman Van Rompuy beruhigte die Mandatare und verspricht, das Europa-Parlament voll einzubeziehen. Dort hat man mittlerweile ein neues Ziel: das Ende des britischen Budgetprivilegs von 1984.

Brüssel. David Camerons großes Vorbild ist Margaret Thatcher, und eine der Sternstunden in der Laufbahn der legendären britischen Premierministerin schlug am 26. Juni 1984. Beim Europäischen Rat im französischen Fontainebleau drohte sie damit, den Mitgliedsbeitrag des Vereinigten Königreichs zu verweigern, wenn sie keinen Rabatt bekomme. „Wir bitten die Gemeinschaft oder sonst irgendjemanden nicht um Geld“, sagte Thatcher. „Wir bitten einfach darum, unser Geld zurückzubekommen.“

Und so zahlen die Briten seit dem Jahr 1985 deutlich weniger in den gemeinsamen EU-Haushalt, als sie aufgrund der Berechnungsmethode müssten. Der jährliche „Briten-Rabatt“ beträgt 66 Prozent der Nettozahlungen, die Großbritannien im jeweils vorangehenden Jahr in den Haushalt eingeschossen hat. 2010 ersparte sich London auf diese Weise 3,56 Milliarden Euro.

Dieses Privileg ist den anderen EU-Staaten seit jeher ein Dorn im Auge. Doch weil der Haushaltsrahmen der Union einstimmig beschlossen werden muss, haben sie sich bisher stets die Zähne daran ausgebissen. Zudem spaltete London die Rabattgegner geschickt, indem es Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Schweden – wichtigen Nettozahlern – einen „Rabatt vom Rabatt“ gewährte.

27 Jahre nach Thatchers Triumph hat ihr Nachfolger Cameron allerdings die antibritische Front ungewollt verhärtet. Mit seiner Weigerung, eine Änderung der EU-Verträge zwecks Stärkung der fiskalischen Disziplin in der Eurozone zu unterstützen, hat sich Cameron derart isoliert, dass der Briten-Rabatt bei den anstehenden Verhandlungen über den Finanzrahmen der Jahre 2014 bis 2020 erstmals ernsthaft in Gefahr ist.

Einen Vorgeschmack auf die politische Gefechtslage lieferte am Dienstag die Debatte im Europa-Parlament in Straßburg. „Die Isolation des Vereinigten Königreichs zeigt, dass diese Regierung die EU bloß als Freihandelszone betrachtet, ohne Verantwortung für die anderen. Warum sollten die anderen 26 eine Geste der Solidarität gegenüber dem Vereinigten Königreich machen?“, drohte Joseph Daul, Fraktionsführer der Europäischen Volkspartei. „Nach ein paar Nächten des Nachdenkens wird David Cameron erkennen, dass er den Fehler seines Lebens gemacht hat“, assistierte ihm Guy Verhofstadt, der Chef der Liberalen. „Wenn man zu Tisch geladen wird, dann entweder als Gast oder als Teil des Menüs.“

Vertrag soll im März beschlussreif sein

Anlass der Debatte waren die Ergebnisse des Gipfels der vergangenen Woche. Es ging um die Frage, ob und wie das Europa-Parlament bei der Schaffung der „Fiskalunion“ mit strengeren Regeln bei zu hohen Defiziten der 17 Euroländer unter Beteiligung neun weiterer EU-Staaten eingebunden wird. Herman Van Rompuy, Präsident des EU-Rates, beruhigte die Mandatare: „Das Parlament wird in die Arbeiten und Verfahren des intergouvernementalen Vertrags eingebunden“, versprach er. Besagter Vertrag, der eine Reaktion auf Camerons Veto gegen eine Änderung des bestehenden EU-Rahmens ist, soll bereits im März 2012 beschlussreif sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2011)

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