In Italien trotzt nur die Mafia der Krise

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Das Verbrechen blüht, und dem Land droht die nächste Rating-Herabstufung. Während viele europäische Großbanken fieberhaft nach frischem Kapital suchen, um ihre Bilanzen aufzubessern schwimmt die Mafia im Geld.

Wien/Rom/Jil/Ag. Ökonomen und Politiker vergessen oft, dass eine Volkswirtschaft auch „unsichtbare“ Elemente hat. Der unbesteuerte, unkontrollierte und unregulierte Schwarzmarkt scheint nicht auf, wenn Wirtschaftsdaten präsentiert werden. Nur in Italien, wo die Mafia bis heute eine gewichtige Rolle spielt, ist die Schattenwirtschaft auch öffentlich ein Thema.

So veröffentlichte der italienische Kaufleuteverband Confesercenti am Dienstag einen Jahresbericht, der es in sich hat. Die Mafia ist demnach die „solideste Bank Italiens“. Während viele europäische Großbanken fieberhaft nach frischem Kapital suchen, um ihre Bilanzen aufzubessern – und die italienische Großbank UniCredit den größten Kurssturz in 25 Jahren hinlegt – schwimmt die Mafia im Geld. Laut Confesercenti-Jahresbericht verfügt das organisierte Verbrechen in Italien derzeit über eine Liquidität von 65 Milliarden Euro. „In dieser Krisenphase ist die Mafia AG die einzige Struktur, die über liquide Mittel für Investitionen verfügt“, sagte Confesercenti-Präsident Marco Venturi.

Mafia-Umsatz: 140 Milliarden

Die Mafia nutze die Krise, um immer tiefer in das Wirtschaftssystem in Nord- und Mittelitalien einzudringen. Das organisierte Verbrechen sei Italiens Unternehmen mit dem höchsten Umsatz. Die Kriminalität steht in dem Mittelmeerland mit 140 Milliarden Euro Umsatz für sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Hauptgeschäftsfelder der „Cosa Nostra“ sind illegale Müllentsorgung, Schutzgelderpressung, illegaler Geldverleih, Diebstahl, Betrug und Schmuggel.

Die Mafia dringe jedoch auch immer tiefer in den Verkehrs- und Logistikbereich sowie in die Glücksspielbranche und in den Sport ein. Täglich wandern enorme Summen von den Taschen der italienischen Unternehmer und Kaufleute in jene der Mafiosi. Tausende Kaufleute seien bereits in den Würgegriff der Wucherer geraten, geht aus dem Bericht hervor.

Die Mafia bereichere sich immer mehr auch durch Produktpiraterie und illegale Bauten, deren Umsatz auf zehn Milliarden Euro geklettert sei. Confesercenti warnte auch vor einer zunehmenden Unterwanderung legaler Betriebe durch mafiöse Organisationen. Dies betreffe sogar große italienische Unternehmen, vor allem Baufirmen, die lieber mit der Mafia zusammenarbeiteten, als deren Erpressungen anzuzeigen, hieß es.

Fitch droht mit Herabstufung

Die Ratingagentur Fitch hat indes angekündigt, Italiens Bonität herabstufen zu wollen. Die Lage sei „explosiv“, sagte Fitch-Analyst David Riley am Dienstag. Derzeit bewertet Fitch Italien mit A+. Eine Herabstufung könnte noch in diesem Monat kommen. Italien hat fast zwei Billionen Euro Schulden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2012)

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