AA+: Große Belastungsprobe für die Koalition

Belastungsprobe fuer Koalition
Belastungsprobe fuer Koalition(c) Dapd (Hans Punz)
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Am Sonntag sollte eine informelle Absprache der Regierungsspitzen helfen. Kanzler und Vizekanzler setzen aber weiter auf unterschiedliche Wege aus der Krise - und gefährden damit auch die Existenz von Rot-Schwarz.

Wien. Der Schock vom Freitag, dem 13., war kaum verdaut. Da bemühten sich Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger schon intensiv darum, Einigkeit in der Sache zu demonstrieren. Ein bisschen zu sehr: Die Sprecher von Kanzler und Vizekanzler waren allzu eifrig darin, Medienvertretern gegenüber zu betonen, dass nach dem Downgrading durch Standard & Poor's im Prinzip „eh alles okay" sei. Wenn schon nicht mit der Bonität Österreichs, dann wenigstens zwischen Faymann und Spindelegger. Doch die Gerüchte hatten sich schon verhärtet, wonach die Spitzen von SPÖ und ÖVP nach dem Bericht von S&P unterschiedliche Wege aus dem Schuldendebakel des Landes zu gehen gedenken - und dass man dabei weiter auseinanderliege denn je.

Sichtbar wurde das am Wochenende insbesondere daran, dass nun vor allem die ÖVP den Reformdruck erhöht: Allen voran erklärte Parteichef Spindelegger, dass Österreich jetzt „rasch zu Lösungen kommen" müsse; selbst den „letzten Bremsern und Blockierern" müsse ein Licht aufgegangen sein, meinte er in der „Presse am Sonntag". Und damit wendete er sich kaum verhohlen - neben anderen - auch an die SPÖ. Nach Spindelegger wurde auch Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ausgeschickt, um die Kunde zu verbreiten: Wann, wenn nicht jetzt, müsse Österreich handeln?

ÖVP: „Jetzt wollen wir das Ei legen"

In der Lesart der ÖVP heißt das vor allem: sparen - und nicht etwa neue oder höhere Steuern, auf die, wenigstens zum Teil, die SPÖ setzt. So sollten nach Meinung der ÖVP Bund, Länder und Gemeinden ihre Ausgaben durch „weniger Bürokratie und mehr Effizienz" um fünf Prozent senken, wie Leitl im ORF-Fernsehen sagte. Auch einen Schlachtruf der SPÖ aus dem Vorjahr wandelte er ab: „Genug gegackert. Jetzt wollen wir das Ei legen." Faymann hatte im Dezember die vielen Zwischenrufe zu den Spar- und Steuerplänen der Regierung kritisiert und „Schluss mit dem Gegacker" in den Regierungsparteien, aber auch in den Ländern gefordert.

Auch jetzt, nach dem Downgrading durch S&P, beharrt der Kanzler dem Vernehmen nach auf dem bisherigen Zeitplan, nämlich darauf, dass noch bis Ende Februar die fünf Arbeitsgruppen von Rot-Schwarz zum Thema Schuldenbremse tagen. Dann wolle man im Ministerrat eine „grundsätzliche Einigung" erreichen, wie ein Sprecher sagte: Erst danach sollen die Steuer- und Sparvorschläge in Begutachtung gehen.

Die ÖVP hingegen möchte schon Ende Jänner oder Anfang Februar ein Gesamtpaket haben - umso mehr, als das Land nun nur noch „AA+"-kreditwürdig sei. Auch das Volumen der Einsparungen beziffern ÖVP-Vertreter seit dem Downgrading durch S&P neu: Von bis zu vier Milliarden Euro im Jahr ist die Rede; Finanzministerin Maria Fekter hat bereits früher von 2,8 Milliarden Euro gesprochen. Im November haben Rot und Schwarz noch gemeinsam zwei Milliarden im Jahr genannt - und dabei will die Kanzlerpartei ersten Aussagen zufolge auch nach dem Verlust der höchsten Bonität für Österreich bleiben. Überhaupt warnt die SPÖ, aber auch die ÖVP, davor, das Rating durch eine von insgesamt drei maßgeblichen internationalen Agenturen überzubewerten. Dieses sei schlicht „unverständlich", sagten Faymann und Spindelegger Freitagnacht.

Vieraugengespräche und „Bankengipfel"

Am Sonntag sollen Kanzler und Vizekanzler dennoch einen informellen „Gipfel" zum S&P-Debakel abgehalten haben, offiziell bestätigt wurde dies nicht. Ein Sprecher Spindeleggers erklärte aber, die Regierungsspitzen seien „im ständigen Austausch" über das Problem und seine Lösung. Fix ist, dass das Downgrading heute, Montag, auch beim „Bankengipfel" Faymanns, Spindeleggers und Fekters mit den Spitzen von Nationalbank und Finanzmarktaufsicht Thema sein wird. Ursprünglich sollte der Fokus „nur" auf der Krise in Ungarn liegen.

Nach dem Gipfel wird Rot-Schwarz sich dann zum weiteren Fahrplan für ein Spar- und Steuerpaket bekennen müssen, will sie ihre eigene Existenz nicht infrage stellen. Auch die ÖVP wird bei den Steuern einlenken müssen, wie Spindelegger bereits eingestand („haben keine ÖVP-Alleinregierung").

Der Druck der Opposition auf die Regierung steigt unterdessen stetig: Auch am Sonntag äußerten FPÖ, Grüne und BZÖ teils großen Unmut wegen des - in ihren Augen fehlenden - Reformkurses von Rot-Schwarz. BZÖ-Chef Josef Bucher etwa will aber keine neuen Steuern. Und eine (bürgerliche) Dreiparteienkoalition sei für ihn denkbar. Die ÖVP gab zurück: Die Opposition sollte in Zeiten wie diesen die Schuldenbremse mittragen - sonst bleibe sie nicht regierungsfähig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2012)

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