Kapitalflucht: 70.000 Euro in der Handtasche

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Die Menschen aus den Krisenländern bringen ihr Geld vor der gefürchteten Staatspleite und der Steuer in Sicherheit. Auch in Kärnten und im Burgenland profitieren Banken und Immobilienhändler von der Kapitalflucht.

Man staunte nicht schlecht in der Filiale der Bank Burgenland in Eisenstadt, als die unscheinbare Dame aus Ungarn ihre Handtasche öffnete. „70.000 Euro in bar hat sie herausgenommen“, erzählt eine Bankangestellte, die namentlich nicht genannt werden will. „Das hat uns schon alle ziemlich überrascht.“

Mittlerweile ist die Überraschung einer gewissen Routine gewichen. „Die Spareinlagen aus Ungarn haben sich im vergangenen Jahr verdoppelt“, berichtet Berthold Troiß vom Vorstandsbüro der Bank. Eine genaue Summe wollte er nicht nennen, man bewege sich aber „im mittleren zweistelligen Millionenbereich“. Der Ansturm aus Ungarn auf die Bank Burgenland hält auch weiterhin an: Termine mit ungarischsprachigen Kundenberatern seien „auf Wochen“ ausgebucht.

Die Ungarn sind nicht die Einzigen, die derzeit um ihre Ersparnisse fürchten und ihr Geld ins Ausland bringen. Auch in anderen Krisenländern gibt es eine Kapitalflucht, die in diesem Umfang einzigartig ist: Bei den Banken in Griechenland gingen die Einlagen seit Ende 2009 um 60 Milliarden Euro zurück, in Spanien um 30 Milliarden, in Italien um nicht viel weniger.

Das meiste Geld geht in die Schweiz – allein griechische Staatsbürger sollen dort insgesamt 200 Milliarden Euro bunkern –, einiges aber auch nach Österreich. Die Einlagen von Ausländern stiegen laut Statistik der Nationalbank binnen eines Jahres um 17 Prozent auf 57,9 Milliarden Euro (Stand September 2011).

40 Prozent Italiener.
„Bei uns kommt man sich ja teilweise vor wie in Italien“, sagt Stefan Nedwed, der dafür nicht ganz unverantwortlich ist. Nedwed ist Immobilienmakler im kärntnerischen Bad Kleinkirchheim und verzeichnet seit einem halben bis Dreivierteljahr „ein gesteigertes Interesse aus Italien“. Das „gesteigerte Interesse“ hat beachtliche Dimensionen angenommen: In der kleinen Ortschaft nördlich von Villach sind etwa 800 Italiener gemeldet – bei insgesamt 1800 Einwohnern.
Ein Blick in Nedweds Angebotskatalog lässt staunen: Eine kleine Garçonnière wird hier um 125.000 Euro angeboten, beachtliche 3700 Euro pro Quadratmeter. Eine Wohnung im Zentrum der Ortschaft erreicht sogar einen Quadratmeterpreis von 3900 Euro. Dafür wohnt man schon in Wiens noblem 13. Bezirk. Die Grenze ist aber noch lange nicht erreicht. „Teilweise werden für Häuser bis zu 5000 Euro pro Quadratmeter verlangt“, erzählt Michael Fahn, Vorstand der Fachgruppe Immobilien bei der Wirtschaftskammer Kärnten – „und von den Italienern auch bezahlt“.

An Geld mangelt es den Nachbarn nicht, aber an Vertrauen in die eigene Wirtschaft. „Österreich bietet Sicherheit“, erklärt Hannes Lesjak, Direktor der Raiffeisenbank in Villach. Seit mehreren Monaten gebe es „Einzahlungen von größeren Summen“ aus dem Süden. Für die Sicherheit in Österreich nehmen die ausländischen Anleger auch deutlich niedrigere Zinsen in Kauf, wie beispielsweise die Ungarn, die ins Burgenland kommen.

Für täglich fällige Euro-Spareinlagen bietet die Bank Burgenland 0,75 Prozent, bei zwölf Monaten Bindung 2,25 Prozent. Ungarische Banken locken mit etwa sechs Prozent für Forint-Einlagen und immerhin noch 1,6 Prozent für täglich fällige Euroeinlagen. „Spezielle Angebote für Ungarn haben wir keine“, versichert Troiß. Das Geld fließt auch so. 150.000 bis 200.000 Euro würden die üblichen Einzahlungen bei einer Kontoneueröffnung betragen, erzählt eine Bankangestellte.

Die Sorge vor einen Bankencrash ist nicht die einzige Motivation, Geld außer Landes zu schaffen. Es geht auch um die Steuer. Als Italien 2009 eine Schwarzgeldamnestie erließ, flossen 95 Milliarden Euro zurück ins Land. Grenznahe Banken in Österreich verzeichneten einen „merkbaren Rückgang von Spareinlagen“, wie es ein Banker ausdrückte. Immobilienhändler in Kärnten erinnern sich mit Schrecken an eine Zeit, als Wohnungen monatelang auf dem Markt waren.

Mittlerweile scheinen die Italiener wieder mehr Geld erwirtschaftet zu haben. Die Zeiten, als Menschen „mit Koffern und Plastiksackerln voller Geld“ nach Österreich kamen, seien zwar lange vorbei, stellt Lesjak gleich klar. Heute würde man so jemanden sofort des Hauses verweisen.

Aber nicht alle Banken sind Schwarzgeld gegenüber so abweisend: Elf Milliarden Euro sind nach Schätzungen der italienischen Steuerpolizei 2011 illegal ins Ausland gebracht worden. Mittlerweile haben sich die Behörden kreative Maßnahme einfallen lassen, um das teils raffiniert versteckte Bargeld ausfindig zu machen: Hunde wurden wie Drogen- oder Sprengstoffspürhunde abgerichtet, nur eben nicht auf Kokain oder Dynamit, sondern auf Geldscheine. Am italienisch-schweizerischen Grenzübergang Ponte Chiasso sind bereits seit einigen Monaten mehrere Banknoten-Spürhunde im Einsatz.

Man braucht freilich nicht immer Hunde, um zu ahnen, dass das Vermögen des einen oder anderen Italieners eine etwas undurchsichtige Herkunft hat. Wie neulich bei der Eigentümerversammlung eines Appartementhauses, in dem ein Süditaliener mehrere Wohnungen besitzt. Er sei, berichtet der Hausverwalter, pünktlich zur Versammlung erschienen – „mit einem Schrank von einem Mann mit zwei Metern hinter sich“. Die ganze Zeit sei der Bodyguard wortlos im Raum gestanden.

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