Wirtschaftskammer-Chef Leitl fordert von Athen Zeichen, um erfolgreich gegen antigriechische und "demagogische Stimmung" zu sein.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl plädiert angesichts der Griechenland-Krise für die Einführung von Eurobonds in der EU. Würden diese mit einem geringeren, aber differenzierten Zinssatz für die Euro-Länder gestaltet, hätte die Gemeinschaft "nach innen ein besseres Steuerungsinstrument, nach außen bessere Verteidigung gegenüber Spekulanten", sagte Leitl am Dienstag.
Aufhorchen ließ Leitl mit dem Vorschlag, Griechenland könnte von sich aus "ein paar abgelegene, unbewohnte Inseln verkaufen". Eine solche "symbolische Geste" würde "den Griechen sehr gut anstehen" und würde die Stimmung für Athen in Europa positiv beeinflussen.
Euro-Austritt der Griechen keine Alternative
Einer Staatspleite oder einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone erteilte Leitl eine Absage. "Kein Experte ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das eine sinnvolle Alternative gewesen wäre." Die psychologischen Folgewirkungen der damit verbundenen Unsicherheit seien volkswirtschaftlich auch nicht berechenbar. Griechenland brauche Investitionen in Innovation, Bildung und Forschung und eine Zukunftsperspektive für die junge Generation. "Wenn nur gespart wird, stirbt uns der Patient während der Operation", so der WKÖ-Chef. "Denn das eigentliche Problem Griechenlands ist der Verlust seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der Türkei, gegenüber Rumänien, Bulgarien."
Eurobonds würden den Euro-Ländern einen gemeinsamen Zinssatz von zwei Prozent bescheren, argumentierte Leitl. "Wenn Griechenland 30 oder 35 Prozent für Anleihen zahlt, weiß jeder: Das kann Griechenland nicht zahlen. Wer hat es dann zu zahlen? Wir als Gemeinschaft", sagte der Wirtschaftskammer-Präsident.
Vorschlag für Zinsweiterverrechnung
Auch Kalifornien wäre im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten in einer ähnlich ungünstigen Lage, wenn es selbst Anleihen begeben müsste. Für Euro-Anleihen sollten intern strikte Regeln gelten, plädierte Leitl. "Geld kriegt nur derjenige, der sich an gewisse interne, fiskale Regelungen hält. Eine zweite Steuerung kann ich machen, indem ich eine differenzierte Zinsweiterverrechnung mache: Die Triple-A-Länder bekommen ein Prozent in der Zinsweiterverrechnung, die mittleren zahlen drei Prozent, die schlechteren fünf Prozent. Da hat jeder den Anreiz hinaufzukommen."
Leitl betonte, gerade weil er deutsche Argumente, wonach die Eurobonds nicht notwendige Reformen verhindern dürften, ernst nehme, wolle er sie als zusätzliches internes Steuerungsinstrument sehen.
Leitl geht es um Signal der Bereitschaft
Griechenland selbst sollte sich fragen, welche Eigenleistung es zu geben bereit sei. "Kann man vielleicht politisch irgendein Geschäft machen, was Zypern betrifft? Kann man vielleicht ein paar abgelegene, unbewohnte Inseln verkaufen, die viel Geld bringen? Da geht es jetzt gar nicht um das Geld an sich, sondern da geht es um ein Signal, dass man bereit ist, in dieser Situation nicht nur Hilfe von außen anzufordern, sondern auch selbst mögliche Beiträge zu leisten."
Die Einnahmen könnten in die Privatisierungserlöse fließen. Leitl warnte, dass der nächste Wahlkampf mit Slogans wie "haut die Reichen und haut die Griechen" geführt werde. "Ich könnte mir vorstellen, dass durch einen solchen Beitrag, der den Griechen sicherlich nicht leichtfällt, die feststellbare demagogische Stimmung gegen die Griechen in Europa doch deutlich abgemildert wird, und dass die Freunde Griechenlands ein ganz gewichtiges Argument haben."
Für Alleingang bei Finanztransaktionssteuer
Der WKÖ-Chef plädierte notfalls für einen Alleingang der Euro-Länder zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer, räumte aber ein, dass auch im Dachverband der europäischen Wirtschaftskammern Eurochambres nur ein Drittel der Mitglieder dafür sei. Mit Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich wäre schon ein "erheblicher Kern der Eurozone mit dabei", hier sei ein Umdenken spürbar. "Ich glaube, dass die Eurozone sehr wohl vorangehen könnte. Sie hat sich zu einer gemeinsamen Währung bekannt und sie hat daher geradezu die Verpflichtung, alles zu tun, was diese gemeinsame Währung stärkt und absichert."
Die Finanztransaktionssteuer müsste mit einem moderaten Promillesatz beginnen und dann wären Erfahrungen zu sammeln. "Vom Theoretisieren kommen wir nicht mehr weiter." Leitl verwies darauf, dass selbst Großbritannien, das der Finanztransaktionssteuer so skeptisch gegenübersteht, mit der "stamp tax" eine Art Börsenumsatzsteuer habe. Jede Steuer wirke wachstumsdämpfend, sagte Leitl. Wenn die Staaten aber zum Abbau der Verschuldung Steuern bräuchten, hätte es mehr negative Effekte, wenn die Realwirtschaft und die Kaufkraft belastet würden.
(APA)