Euro-Gruppen-Vorsitzender Juncker fordert einen Aufbaukommissar für das Land, aber viele griechische Stellen lehnen die Hilfe der EU-Partner bisher ab. Indessen wurden wieder neue Sparmaßnahmen beschlossen.
Brüssel/Ag./Red. Das deutsche Wirtschaftsministerium zieht eine düstere Bilanz. Ein von der Bundesregierung im vergangenen Jahr forciertes Unterstützungsprogramm zum Aufbau der griechischen Wirtschaft sei gescheitert. Von zahlreichen Projekten sei ein einziges übrig geblieben: ein deutsches Unternehmen, dass Brennbriketts aus Olivenabfällen herstellt. Ein interner Bericht des deutschen Wirtschaftsministeriums, der von der „Süddeutschen Zeitung“ am Mittwoch veröffentlicht worden ist, kommt zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen für einen Konjunkturaufschwung schlicht nicht gegeben seien. Es gebe auf griechischer Seite weder die notwendigen Zielvorstellungen noch Verantwortlichkeiten.
Weil bisher lediglich der Druck zur Durchsetzung neuer Sparmaßnahmen erfolgreich war – am gestrigen Mittwoch beschloss das griechische Parlament weitere Lohn-, Pensions- und Sozialkürzungen –, fordert der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, nun die Einsetzung eines Aufbaukommissars. „Ich wäre sehr dafür, dass ein EU-Kommissar mit dem Aufbau der griechischen Wirtschaftsstruktur beauftragt wird“, sagte er in einem „Welt“-Interview. Die griechische Regierung habe es „bisher nicht vermocht“, die wirtschaftliche Infrastruktur des Landes an EU-Standards anzupassen.
Doch in Griechenland fehlt vor allem der Wille, sich von außen helfen zu lassen. Das wird am Beispiel der Finanzverwaltung deutlich. Einige Länder, darunter auch Österreich und Deutschland, haben Experten ins Land geschickt, die das griechische Steuersystem effizienter machen sollen. Doch nun rief die Gewerkschaft Finanzminister Evangelos Venizelos auf, ein weiteres Angebot aus Deutschland abzulehnen. „Das kontinuierliche Gerede über den Einsatz fremder Steuerbeamter verursacht Verwirrung bei den hart arbeitenden Beamten“, argumentiert die Arbeitnehmervertretung.
ESM-Aufstockung verschoben
Einen Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel wurde die geplante Aufstockung des Euro-Rettungsschirms ESM auf Ende März verschoben. Das Thema soll bei einem eigenen Euro-Gipfel beraten werden. Widerstand gegen die Aufstockung kommt nach wie vor aus Deutschland. CSU-Chef Horst Seehofer hat sogar mit einem Sonderparteitag gedroht, sollte die Haftung aufgestockt werden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)