Österreichs Banken und ihr Island-Problem

(c) AP (Ragnar Axelsson)
  • Drucken

Der Raiffeisen-Sektor soll von der Island-Krise mit über einer Milliarde Euro betroffen sein. Nur wenige Finanzinstitute geben exakte Zahlen über ihr Island-Obligo bekannt.

Wien. Die Island-Krise schlägt auf Österreichs Banken durch: Die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht (FMA) haben in den vergangenen Tagen das Island-Engagement der heimischen Institute und Versicherung abgefragt. Details dazu werden nicht verraten. Laut „Presse“-Informationen bangt die Finanzbranche um insgesamt 2,6 Mrd. Euro. Das Ausmaß soll die Aufsicht überrascht haben, wie es heißt. Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) will die 2,6 Mrd. Euro weder bestätigen noch dementieren. „Fragen Sie die Banken“, sagte er am Dienstag nach dem Ministerrat.

Nur wenige Finanzinstitute geben exakte Zahlen über ihr Island-Obligo bekannt. Die Erste Bank ist – wie in der Vorwoche berichtet – mit 300 Mio. Euro betroffen. „Bei uns sind es 100 Mio. Euro“, sagt ein Bank-Austria-Sprecher. Besonders stark soll dem Vernehmen nach der Raiffeisensektor (RZB und Landesbanken) in die Island-Causa verwickelt sein. Schätzungen zufolge handelt es sich um über eine Mrd. Euro. „Als große europäische Bank mit einer Bilanzsumme von 160 Mrd. Euro haben wir natürlich auch dem isländischen Bankensektor Kreditlinien bereitgestellt“, meint ein RZB-Sprecher. „Details zum Obligo nennen wir wegen der hypernervösen Marktsituation nicht.“

Noch im Juni ein Island-Kredit

Faktum ist, dass die RZB noch im Juni der in der Vorwoche verstaatlichen Kaupthing Bank einen Kredit gewährte. Laut einer Pressemitteilung nahm das größte Institut Islands damals 275 Mio. Euro bei der RZB, der Bank of America, der BayernLB und Lloyds TSB auf.

Außerdem waren die Giebelkreuzer laufend als Vermittler von syndizierten Krediten für isländische Finanzhäuser tätig. Laut der RZB-Homepage wurde im Vorjahr gemeinsam mit anderen europäischen Banken ein 500-Mio.-Euro-Kredit an die Finanzgruppe Exista vergeben. Dann gab es noch ein 400-Mio.-Euro-Darlehen für die Straumur-Burdaras Investment Gesellschaft und 100 Mio. Euro für die Icebank.

Fast jede größere Bank in Reykjavik soll Geschäftsbeziehungen zur RZB unterhalten haben. Wie hoch der Anteil der Österreicher bei den von internationalen Konsortien vergebenen Krediten tatsächlich war, ist nicht bekannt. Doch im Regelfall übernimmt ein Kreditarrangeur rund zehn Prozent der Summe in seine Bücher, manchmal kann es aber auch mehr sein.

Vor zwei Jahren veröffentlichte die RZB eine Pressemitteilung mit dem Titel „Nummer eins bei Bankfinanzierungen“. Damals freute sich RZB-Vorstand Patrick Butler, dass man nicht nur in Osteuropa, sondern auch in Märkten wie Island „ein wichtiger Player“ geworden sei. Eine Überraschung enthält auch die Kaupthing-Homepage. Dort taucht die RZB unter den 15 größten Eigentümern auf und ist mit insgesamt einem Prozent beteiligt. „Wir halten diese Aktien aber nicht direkt, sondern für Kunden“, beruhigt ein RZB-Sprecher. Namen darf er wegen des Bankgeheimnisses nicht nennen.

Trotz der Island-Positionen sei die Kapitalbasis nicht gefährdet, heißt es in der RZB. Auch einige Raiffeisen Landesbanken sollen Finanzkreisen zufolge in isländischen Schuldpapieren investiert sein. Noch vor einem Monat war die RZB deutlich auskunftsfreudiger. Damals bezifferte sie den maximalen Abwertungsbedarf aus der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers mit 252 Mio. Euro. Auch bei Lehman war die RZB im Vergleich zu anderen österreichischen Häusern überdurchschnittlich stark engagiert. Die Erste Bank bangt offiziell um 40 Mio. Euro, bei der Bank Austria sind es rund 50 Mio. Euro.

Auch Volksbanken schweigen

Schweigsam zeigt sich auch die Österreichische Volksbanken AG, das Spitzeninstitut der Volksbanken. „Wir geben unsere Island-Positionen nicht bekannt“, sagt ein Sprecher. Von der Lehman-Pleite seien die Volksbanken mit höchstens 50 Mio. Euro betroffen. Bei der Bawag geht es in der „Island Causa“ um einen „kleinen zweistelligen Millionenbetrag“. „Wir haben dieses Exposure bereits seit geraumer Zeit zurückgefahren“, so eine Bawag-Sprecherin.

Deutlich vorsichtiger sind die Versicherungen vorgegangen. Die Wiener Städtische beziffert ihr Island-Engagement mit 20 bis 25 Mio. Euro. Bei der Uniqa sind es Experten zufolge 15 bis 20 Mio. Euro.

An der isländischen Börse sind die Aktienkurse am Dienstag nach Aufhebung eines mehrtätigen Handelsstopps ins Bodenlose gestürzt. Wegen der Sorgen vor einem Staatsbankrott fiel der Leitindex um 77 Prozent. Die Regierung schickte eine Delegation nach Moskau, um Russland um einen Milliardenkredit zu bitten.

AUF EINEN BLICK

Island kämpft gegen den Staatsbankrott – mit Folgen für Österreichs Banken. Diese dürften um 2,6 Mrd. Euro zittern. Bestätigt wurde das noch nicht. Die Erste Bank ist laut eigenen Angaben mit 300 Mio. Euro betroffen, die Bank Austria mit 100 Mio. Euro.

Zum Raiffeisensektor (RZB und Landesbanken) gibt es vorerst nur Schätzungen: Diese lauten auf eine Milliarde Euro. Noch im Juni hatte die RZB der Kaupthing Bank einen Kredit gewährt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.