Finanzkrise: Schwesternhilfe für Island

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Kredite aus Norwegen und Großbritannien sollen den drohenden Staatsbankrott abwenden.

Kopenhagen. Im Kampf gegen den drohenden Staatsbankrott bekommt Island nun ausländische Kredithilfe. Die Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über einen Rettungsplan stehen nach Regierungsangaben in Reykjavik unmittelbar vor dem Abschluss. Außerdem wollen Norweger und Briten dem an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gedrängten Nachbarn mit Finanzhilfen beistehen.

„Island ist ein Schwestervolk in der Krise, wir wollen Solidarität zeigen“, sagte in Oslo Verkehrsministerin Liv Signe Navarsete. Eine norwegische Delegation soll demnächst in Reykjavik die Bedingungen für ein „erweitertes Hilfsprogramm“ aushandeln. Schon in der Vorwoche hatte die norwegische Zentralbank Island umgerechnet 190 Mio. Euro geliehen. Auch Schwedens Finanzministerium beteiligt sich an Gesprächen.

Angst vor russischem Einfluss

Die Regierung in London will den Isländern einen Kredit von drei Mrd. Pfund (3,8 Mrd. Euro) gewähren, der jedoch vor allem zur Sicherung der eigenen Sparer zweckgebunden ist: Mit dem Geld sollen die britischen Kunden der Icesave-Bank ihre Einlagen zurückbekommen, die im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Mutterbank Landsbanki eingefroren worden waren.

Mit dem IWF verhandelt Reykjavik über ein Beistandspaket von sechs Mrd. Dollar (4,6 Mrd. Euro), zu dem der Währungsfonds eine Milliarde und die skandinavischen Notenbanken und Japan den Rest beisteuern sollen. Laut Industrieminister Össur Skarphedinsson wären damit die akuten Zahlungsprobleme gelöst. Isländische Importeure hatten gewarnt, dass die Versorgung mit lebenswichtigen Produkten nur noch für wenige Wochen gesichert sei. Über die Bedingungen des IWF-Pakets ist nichts bekannt, doch gelten starke Restriktionen beim Wiederaufbau des Bankensystems und drastische Maßnahmen gegen die auf über 20 Prozent gestiegene Inflation als sicher. Islands größte Bank Kaupthing wird rekonstruiert, teilte die Finanzaufsicht mit: Die internationalen Aktivitäten werden ausgegliedert, die heimischen in einer neuen Bank „New Kaupthing“ gesammelt, die zu hundert Prozent in Staatsbesitz ist.

Ob sich auch Russland an der Rettungsaktion beteiligt, ist ungewiss. Nachdem es zuerst so ausgesehen hatte, als sei Russland das einzige Land, das Island mit einem Kredit in Milliardenhöhe beistehen wollte, ziehen sich nun die Verhandlungen hin. Moskau bat um mehr Informationen über Islands Banken und Industrie. In Skandinavien wird das mögliche russische Engagement mit Skepsis betrachtet. Das Rettungspaket habe auch sicherheitspolitische Aspekte, kommentierte die norwegische Zeitung „Aftenposten“: „Island ist Nato-Mitglied, seine Lage ist strategisch wichtig. Keinem wäre damit gedient, wenn Island zu einem Machtvakuum würde.“ Auch die Möglichkeit, dass Island als Gegenleistung für den Kredit russischen Fischern Fangrechte verpfänden könne, weckt bei den nordischen Nachbarn Unbehagen.

Vorsicht für Touristen

Für Touristen, die Island wegen des Verfalls der Krone als billiges Einkaufsland entdeckt haben, gilt es, aufzupassen. Da die Europäische Zentralbank seit 9.Oktober die Notierung der isländischen Krone ausgesetzt hat (letzter Kurs: 305Kronen pro Euro), rechnen Kreditkartengesellschaften nach dem von der Notenbank in Reykjavik festgelegten Kronekurs ab. Der ist mit 150Kronen schlechter als der Kurs, den man im freien Umtausch bekommt. Der mit der Karte getätigte Einkauf kann sich also als wesentlich teurer erweisen als gedacht, weshalb Bargeldbezahlung oft günstiger ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2008)


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