Europäische Zentralbank: Euro-Zinsen erneut gesenkt

(c) AP (Daniel Roland)
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EZB-Leitzins nur noch 1,5 Prozent, Kredite werden aber erst mit Verzögerung billiger. Zentralbank sagt einen Wirtschaftsrückgang von 2,7 Prozent voraus, Rezession auch 2010.

wien/frankfurt (ju).Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzinssatz am Donnerstag erwartungsgemäß um 0,5 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit Einführung des Euro gesenkt. Die Eurozone ist in Sachen Geld aber weiterhin eine „Hochpreisregion“: In Großbritannien ist der Leitzins ebenfalls am Donnerstag von ein auf 0,5 Prozent gesenkt worden, die USA und Japan fahren de facto schon eine Nullzinspolitik.

Beobachter gehen deshalb davon aus, dass auch die bei Zinsschritten extrem vorsichtige EZB bald noch einmal an der Zinsschraube drehen könnte und den Leitzins bis zum Sommer auf ein Prozent senkt. Tiefer geht es dann aber wohl nicht mehr: EZB-Chef Jean-Claude Trichet, der die Möglichkeit einer weiteren Zinssenkung am Donnerstag andeutete, sagte, Nullzinsen kämen für die Euro-Notenbank nicht infrage.

Die Zinssenkung, mit deren Hilfe die Konjunktur angekurbelt werden soll, war schon überfällig. Die Konjunkturaussichten haben sich in den vergangenen Wochen nämlich geradezu dramatisch eingetrübt. Die Rezession ist viel tiefer als erwartet. Und sie wird auch viel länger dauern.

Rezession tief und lang

Das sieht unterdessen auch die EZB so, die ihre Konjunkturprognose für die Eurozone drastisch nach unten korrigierte: Waren die Notenbanker bei der letzten Prognose (Ende Dezember 2008) nur von einer leichten Rezession (0,5 Prozent BIP-Schrumpfung) und einer Erholung 2010 ausgegangen, so deutet die gestern vorgelegte EZB-Prognose für die Eurozone nun auf einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent (Bandbreite 2,2 bis 3,2 Prozent). 2010 werde Stagnation bringen, die Bandbreite der Prognose reicht von 0,7 Prozent BIP-Schrumpfung bis 0,7 Prozent Wachstum. Mit einer echten Wirtschaftserholung rechnen die Notenbanker jetzt also frühestens 2011. Bis dahin dürfte auch die Inflation sehr niedrig bleiben.

Die Zinssenkung war von der Wirtschaft schon herbeigesehnt worden. Besonders wirken dürfte sie aber nicht. Schon deshalb nicht, weil die niedrigen Zinsen derzeit nicht oder nur sehr begrenzt dort ankommen, wo das billige Geld dringend gebraucht würde: in der Wirtschaft und bei den Konsumenten. Die neuerdings risikoaversen Banken haben die Vergabekriterien für Kredite deutlich verschärft. Zudem spiegeln die Kreditzinsen bei Weitem nicht den niedrigen Stand des Leitzinssatzes wider, zu dem sich die Banken refinanzieren. Allerdings: Auch Sparguthaben sind derzeit deutlich höher verzinst, als man anhand der Leitzinsen vermuten würde.

Daran wird sich in nächster Zeit auch nur wenig ändern: Die österreichischen Banken haben nach der Leitzinssenkung durchwegs betont, sie sähen keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Bei den Sparzinsen beobachte man den Markt, die Kreditzinsen hätten mit dem Leitzinssatz ohnehin nur noch am Rande zu tun.

Kreditzinsen sinken später

Die orientieren sich meist am sogenannten Euribor (ein Interbankenzinssatz), angepasst wird viertel- oder halbjährlich. Zum nächsten Anpassungstermin, dem 15. März, dürften die an den Euribor gekoppelten Kreditzinsen jedoch recht kräftig – um bis zu zwei Prozent – sinken. Der Euribor ist seit einigen Monaten nämlich im Sturzflug. Die Notenbanken haben unterdessen mehr oder weniger eingestanden, dass die „Zinswaffe“ gegen die Krise nicht mehr wirkt. Zumal die USA und Japan ihr Zins-Pulver ohnehin schon verschossen haben. Jetzt soll die Krise noch stärker mit „Geldpolitik“ – bildlich gesprochen mit dem Anwerfen der Gelddruckmaschinen – bekämpft werden. Die Bank von England etwa hat gestern angekündigt, dass sie den Banken des Landes um 75 Mrd. Pfund (knapp 85 Mrd. Euro) Staatsanleihen abkaufen werde. Das hat die Kurse britischer Staatsanleihen am Donnerstag hochgetrieben. Ähnliches hat auch die US-Notenbank Fed in Aussicht gestellt bzw. angekündigt – aber bisher noch nicht umgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2009)

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