Finanzmarkt: „Es gibt keine vertrauenswürdige Währung“

Kommt die Hyperinflation, kann man Papiergeld immerhin noch zum Heizen verwenden.
Kommt die Hyperinflation, kann man Papiergeld immerhin noch zum Heizen verwenden.(c) AP (Mark Lennihan)
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Der Finanzmarktstratege Philipp Vorndran warnt vor hoher Inflation und vor weltweit steigenden Steuern. Er rechnet mit einer Inflation von vier bis sechs Prozent.

„Die Presse“: Anleger sind verunsichert, Experten uneins. Worauf müssen wir uns einstellen? Auf Deflation oder Hyperinflation?

Philipp Vorndran: Im Moment überwiegt das deflationäre Element. Aber ich gehe davon aus, dass die Notenbanken nicht gewillt sind, der Entwicklung länger als zwölf bis 18 Monate zuzuschauen. Dann werden sie noch mehr Geld in das System pumpen, was die Inflation anheizen wird. Zudem fangen die Chinesen an, in großem Maße Gold zu kaufen, weil sie Probleme mit dem US-Dollar befürchten. Ich rechne mit einer Kombination aus großzügiger Liquiditätspolitik der Notenbanken, knappen Rohstoffen und bewusster Flucht der Anleger in reale Werte.

Wie hoch wird die Inflation sein?

Vorndran: Ich rechne mit einer Inflation von vier bis sechs Prozent.

Ist die Flucht der Chinesen ins Gold ein guter Weg, sich gegen die Inflation zu wappnen?

Vorndran: Physisches Gold ist nicht nur ein Inflationsschutz, es ist auch die einzige vertrauenswürdige Währung. Wenn man sich die Staatsverschuldung anschaut, gibt es keine Währung, auf die ich meine Anlagen langfristig aufbauen würde.

Sie warnen schon lange vor zu viel Vertrauen ins Papiergeld und dem Kollaps im Währungssystem. Wie viele Schulden verträgt ein Staat?

Vorndran: Angesichts der Staatsdefizite ist es gut denkbar, dass Anleger langfristig das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates verlieren, seine Schulden zurückzuzahlen. Wann das passiert, hängt von der Verzinsung der Schuld und der Höhe der Schulden ab. Können Schulden von 1000 Prozent des BIP mit 0,01 Prozent refinanziert werden, juckt das keinen Menschen. Zahlen Staaten zehn Prozent Zinsen auf 100 Prozent des BIP an Schulden, bricht das Staaten das Genick. Am gefährdetsten ist Japan. Wenn die durchschnittliche Verzinsung dort auf drei Prozent steigt, hat das Land schon heute keine Chance mehr. Prinzipiell wird es ab Schulden von 150 Prozent des BIP und drei Prozent Zinsen eng.

Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger nennt Japan als Beispiel dafür, dass immer mehr billiges Geld zu keinen Problemen führen muss.

Vorndran: Bofinger vergisst, dass Japan ein kleiner und isolierter Bereich ist, der in einem strukturellen Problem steckt. Heute ist die Lage anders. Es geht nicht mehr nur um Japan und damit um drei Prozent der Weltbevölkerung, sondern um knapp ein Viertel aller Menschen und etwa die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistung. Da ist es schwieriger, zusätzliches Geld der Nationalbanken ins Ausland zu exportieren.

Was wäre aus Ihrer Sicht ein Ausweg?

Vorndran: Die Lösung wäre eine deutliche temporäre Reduktion der Staatsaktivitäten und die Akzeptanz dafür, dass eine Rezession richtig für eine Volkswirtschaft ist, um eine Selektion zwischen lebensfähigen und nichtlebensfähigen Teilen der Wirtschaft durchzuführen. Das gilt auch für die Banken. Es wäre sinnvoller gewesen, nicht alle systemrelevanten Banken am Leben zu erhalten. Auch wenn das Teil- oder Totalverluste für Aktionäre und Anleiheninhaber bedeutet.

Sie sind also gegen weitere Banken- und Konjunkturpakete.

Vorndran: Ich plädiere für einen Rückzug des Staates. Aktionäre sollten sich ihres Risikos bewusst sein und dürfen nicht weiter mit Steuergeld subventioniert werden.

Wie werden Staaten ihre Schuldenberge denn abtragen? Über Inflation oder neue Steuern?

Vorndran: Ich glaube nicht, dass die Staaten schon heute überlegen, die Schulden durch eine höhere Inflation zu verringern. Stattdessen werden wir vorher einen weltweiten Trend zu höheren Steuern und niedrigeren Staatsausgaben erleben. Damit drehen die Staaten eine Todesspirale an. Denn das verfügbare Geld beim Konsumenten sinkt so immer weiter, und die Steuereinnahmen steigen nur kurzfristig an.

In Österreich versichern uns Finanzminister und Kanzler ohnedies, dass es keine höheren Steuern geben wird.

Vorndran: Das sind Durchhalteparolen, die sich in Luft auflösen werden. Die Bürger in der Europäischen Union – also auch in Österreich – müssen sich darauf einstellen, dass die Steuern erhöht werden, weil die Staaten keine andere Wahl haben.

zur person

Phillipp Vorndran ist Finanzmarktspezialist bei
den Vermögensverwaltern
Flossbach & von Storch.
Am 2. und 3. Oktober spricht er neben anderen hochkarätigen Referenten beim Kongress zur „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ in Wien.
Anmeldung: www.go-ahead.at/summit Ermäßigter Preis für „Presse“-Abonnenten. [Archiv]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2009)

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