IWF-Prognose: Weltwirtschaft erholt sich schneller

Containerhafen
Containerhafen (c) www.BilderBox.com (Www.bilderbox.com)
  • Drucken

Der Währungsfonds schraubt seine Erwartungen überraschend stark nach oben: Um 3,1 Prozent soll die Weltwirtschaft 2010 wieder wachsen. Aber ohne China als Wachstumsmotor geht gar nichts mehr – und dort lauern auch neue Risken.

Und wieder flog ein Schuh, nur diesmal mit weniger Geschick geworfen. Dominique Strauss-Kahn musste in Istanbul nicht einmal flink ausweichen wie im Vorjahr George W. Bush im Irak. Das Geschoss landete sanft zu Füßen des anvisierten Gastes. Der Präsident des Internationalen Währungsfonds (IWF) nahm es gelassen und lobte sogar die türkischen Studenten: Sie seien doch recht höflich, weil sie ihrem Unmut erst nach Ende seiner Rede freien Lauf gelassen hätten.

Strauss-Kahn will sich die gute Laune offenbar nicht vermiesen lassen. Es gibt doch Wichtigeres, zum Beispiel: Die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ist überstanden! Zwei Jahre lang fungierte der IWF als Kassandra vom Dienst und verkündete Hiobsbotschaften im Quartalstakt. Nun dürfen seine Ökonomen zum Auftakt der Herbsttagung endlich einen optimistischen Blick in die Zukunft werfen. Überraschend stark revidieren sie ihre Prognosen vom Juli nach oben. Um 1,1 statt 1,4 Prozent wird die Weltwirtschaft heuer schrumpfen, nächstes Jahr sogar um 3,1Prozent wachsen – um 0,6Prozentpunkte mehr als im Sommer zaghaft gehofft.

Auch im Detail gilt: Was der IWF verkündet, ist in der Tendenz nicht neu, aber im Ausmaß überraschend stark. Ein Fazit: Ohne die Schwellenländer China und Indien geht rein gar nichts mehr. Auf neun Prozent Wachstum soll das Reich der Mitte schon 2010 wieder kommen und damit den Rest der Welt mitziehen. Auch Lateinamerika, der Nahe Osten und Afrika stehen zumindest bei den relativen Zuwächsen an vorderster Front.

Eurozone stagniert

Schlusslicht bleibt die Eurozone, die mit plus 0,3 Prozent stagnieren wird. Den Grund sieht der IWF im Finanzsystem: Statt an der Börse verschaffen sich Europas Unternehmen ihr Kapital vor allem über ihre Banken. Die aber sind noch verwundbar, weil 60 Prozent der Verluste weiterhin in ihren Büchern schlummern. Sie müssen Kapital aufbauen und bei Krediten knausern. Das hemmt Investitionen und Konsum.

In Sachen Osteuropa scheinen jene recht zu behalten, die das Vertrauen in die Region nie verloren haben. Sie wird im Schnitt wieder stärker wachsen als der „alte“ Westen des Kontinents. Allerdings nicht im Gleichschritt, wie in den glorreichen Jahren vor der Rezession. Die Länder entwickeln sich diametral auseinander: Während die Wirtschaft im Baltikum, in Ungarn und in Bulgarien weiter schrumpfen wird, galoppieren Polen und die Türkei im Tempo asiatischer Tigerstaaten davon.

Die größte Gefahr für den Aufschwung sieht der Währungsfonds ausgerechnet beim Wirtschaftsmotor China. Kurzfristig könnte sich dort, wie viele Frühindikatoren zeigen, eine neue Immobilien- und Spekulationsblase bilden. Auf mittlere Frist malt der IWF aber ein Bild in konträren Farben.

Dass sich die Amerikaner so hemmungslos verschulden konnten, verdanken sie auch dem devisenhungrigen China. Um gefährliche Ungleichgewichte zu mindern, müssen die Chinesen weniger sparen, weniger im Ausland investieren und mehr zu Hause ausgeben. Dazu könnte sie ein stärkeres soziales Netz motivieren, das es ihnen erspart, ihre Einkünfte für allfällige private Katastrophen zu horten. Aber das wird nicht reichen, klagen die IWF-Ökonomen. Worauf sie hinauswollen: Peking soll den unterbewerteten Yuan endlich auf sein wahres Niveau steigen lassen.

Hilfspakete sollen bleiben

So hängt nicht nur das Wohl, sondern ebenso ein mögliches Wehe stark von Peking ab. Zwar haben auch Japan und der Exportweltmeister Deutschland hohe Handelsbilanzüberschüsse. Aber der IWF weiß, dass er ihnen wenig Gegensteuerung abverlangen kann: Auch sie müssen sparen, um angesichts ihrer alternden Bevölkerung ihre Pensionssysteme finanzieren zu können. Und wer tüchtig und sparsam ist, hat meist wenig Lust, sich wegen der Maßlosigkeit anderer einzuschränken. Hier will der IWF künftig vermitteln.

Ein Spannungsfeld sehen seine Ökonomen im Misstrauen der westlichen Öffentlichkeit – gegenüber ihren Banken, die die Krise ausgelöst haben, und ihren Regierungen, die dafür die Rahmenbedingungen geschaffen haben. Nun muss der Steuerzahler büßen. Mit seinem Geld werden Banken gerettet und der Aufschwung finanziert – wie lange noch? Der IWF bittet um Geduld: Solange die Banken nicht über den Berg sind, müssen die Hilfsprogramme weitergehen. So groß der Zorn auch sein mag: Den Schuh dürfen wir erst werfen, wenn das letzte Wort der Krise verklungen ist.

Das Risiko ChinaSeite 17

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2009)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.