Zielpunkts letzte Chance

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Mit Investitionen von 37 Mio. Euro in die Geschäfte und als "Supermarkt typisch österreichischen Zuschnitts" will der Lebensmittelfilialist zum Befreiungsschlag ausholen.

Nun ist die Katze aus dem Sack: Die Lebensmittelkette Zielpunkt wolle sich nach jahrelangen Positionierungsproblemen künftig als „starker Supermarkt typisch österreichischer Prägung" darstellen, sagte Erich Schönleitner, Vertreter von Noch-Minderheitseigentümer Pfeiffer. Mit mehr Frische und mehr Modernität möchte man den kranken Patienten wiederbeleben.

Drei verschiedene Eigentümer mit der deutschen Tengelmann-Gruppe, dem luxemburgischen Investor BluO und Jan Satek nach einem Management-Buyout haben in den vergangenen 20 Jahren an dem ehemaligen Harddiskonter, späteren Softdiskonter und „Weiß-Nicht-Was"-Lebensmittler herumgedoktert und kein richtiges Rezept gefunden. Nun glaubt Pfeiffer-Vertreter Schönleitner, dessen Arbeitgeber derzeit 24,9 Prozent von Zielpunkt im Eigentum hat - die verbleibenden 75,1 Prozent gehören dem Welser Anwalt Gerald Schmidsberger mit seiner BOW-Beteiligungsgesellschaft- die richtige Dosis gefunden zu haben und hat sich bis 2015 Zeit gegeben, die Fieberkurve wieder zu senken.

Spätestens dann soll Zielpunkt wieder positiv bilanzieren. Schon zuvor, nämlich bis spätestens Juni 2014, muss sich Schönleitner entscheiden, ob er die Option auf die restlichen 75,1 Prozent der Anteile ziehen wird oder aus der Beteiligung zurückzieht. Letzteres schloss er im Pressegespräch vorerst aus. Wolfgang Richter, Handelsexperte bei RegioPlan, kann die Entscheidung, Zielpunkt am Supermarkt-Format auszurichten, nachvollziehen. Der Diskonter sei ein Auslaufmodell, begründet Richter seine Meinung und speziell im Lebensmittelhandel durchlebe der Diskontbereich gerade eine Metamorphose.

„Frische-Profis"

Das neue Positionierungskonzept soll bereits ab November zur Umsetzung kommen. Das größte Verbesserungspotenzial sieht Zielpunkt-Geschäftsführer Thomas Janny in den Obst- und Gemüseabteilungen seiner 263 Filialen. „Aktuell verfügen wir im Handel über einen Marktanteil von rund 3,4 Prozent, bei Obst und Gemüse liegt der Marktanteil mit 2,7 Prozent deutlich darunter", zeigt Janny eine bestehende Schwäche des neuen Supermarkt-Formats auf. Das könne mit einem deutlich erweiterten Sortiment, das auf neu gestalteten Frischeinseln präsentiert werde, bis zu 11 Millionen Euro Mehrumsatz pro Jahr bringen, gibt sich Janny optimistisch.

Während heute maximal 50 verschiedene Sorten ziemlich lieblos in Schachteln angeboten werden, sollen bald je nach Geschäftsgröße zwischen 75 und 117 Produkte der Kundschaft schmackhaft gemacht werden. Saisonale Produkte in Weidekörben mit Beschriftung und Preisauszeichnung auf Schiefertafeln sollen den Marktcharakter betonen und die Kunden anziehen. Auch die Zielpunkt-Mitarbeiter erwartet eine Umstellung. Ausgestattet mit neu geschulten Warenkundekenntnissen sollen „Frische-Profis" auf Direktansprache zu den Kunden hin getrimmt werden. Wahrlich eine Revolution in Geschäften, wo bislang neben der Kassiererin und Regalschlichtern kaum jemand die Kundenwege gekreuzt hat. Ob die vorhandenen Mitarbeiter diese Erwartungen auch erfüllen werden können, bleibt abzuwarten.

Bester Preis ab erstem Stück

Der Bereich „Ethno-Food" soll optimiert werden. Damit soll auch die Migranten-Kundschaft, deren Anteil an der Zielpunkt-Klientel gegenwärtig doppelt so hoch ist, wie deren Anteil an der Gesamtbevölkerung, mit Produkten aus Bosnien, Kroatien, Serbien und der Türkei zufriedengestellt werden. Reduziert hingegen soll das erweiterte Angebot außerhalb der Lebensmittel wie beispielsweise Fitnessgeräte oder Rasenmäher. Auch die Eigenmarke „Jeden Tag" soll mangels Erfolgs deutlich zurückgefahren werden.

„Jeder Kunde bekommt bei Zielpunkt den besten Preis ab dem ersten Stück", erteilt Geschäftsführer Janny den Mehrpackaktionen und Warengruppenrabatten der Konkurrenz eine deutliche Absage. Jeder Haushalt solle seine „gewünschte Portion" erhalten und nicht zu einem Mehrkauf „gezwungen" werden. In einem Gespräch mit „DiePresse.com" vor wenigen Wochen hatte sich Pfeiffer-Chef Schönleitner gegen die Überflutung mit Aktions- und Rabattpreisen und für einen „glaubwürdigen Preis" ausgesprochen. Neue Aktionsformen seien geplant, werden aber zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert.

Familien mit Kindern im Visier von Zielpunkt

Punkten möchte der neu aufgestellte Lebensmittelfilialist auch mit mehr Nähe zum Kunden. Damit ist erst in zweiter Linie eine Filialausweitung über Expansion gemeint, sondern bei den Mitarbeitern soll die aktive Kundenansprache wieder in den Vordergrund gerückt werden. Durch ein umfassendes Schulungsprogramm sollen alle 3000 Mitarbeiter wieder auf Kurs gebracht werden.

Zahlen zeigen, dass zwar Single-Haushalte von Zielpunkt überdurchschnittlich gut erreicht werden; 27,4 Prozent Anteil bei dieser Kundengruppe gegenüber 20,4 Prozent im gesamten Lebensmitteleinzelhandel, aber bei Familienhaushalten durchaus Potential zur Verbesserungbesteht. Vor allem ältere Familien ohne Kinder und jüngere Familien mit Jugendlichen sind in der Zielpunkt-Kundengruppe unterdurchschnittlich repräsentiert. Mit dem Schwerpunkt in Wien mit 134 Filialen glaubt der Filialist auch den Trend zur Urbanisierung nutzen zu können. In der Bundeshauptstadt ist Zielpunkt laut eigener Aussage die Nummer zwei am Markt hinter der Rewe-Gruppe ist. Der Fokus der Geschäftstätigkeit liegt im Osten Österreichs, denn mit Ausnahme von zwei oberösterreichischen Filialen gibt es Zielpunkt nur in Niederösterreich, dem Burgenland, der Steiermark und eben in Wien.

Investitionen in Filialumbau

Ein Kernpunkt des neuen Programms ist auch, das schon deutlich in die Jahre gekommene Erscheinungsbild der Zielpunkt-Filialen auf Marktstandard zu bringen. Sieben Millionen Euro werden heuer und jeweils mindestens zehn Millionen in den Jahren bis 2016 in die Hand genommen, um die Runderneuerung des etwa 130.000 Quadratmeter großen Filialnetzes voranzutreiben. Kommen soll das Geld aus dem Cashflow von Zielpunkt. Ein ansprechender Ladenbau, eine zeitgemäße Beleuchtung, eine intelligente Regalpräsentation, wo das, was zusammen gehört auch zusammen präsentiert wird und eine kundenfreundlichere Wegeführung mit verbesserten Durchgangsbreiten sollen dazu beitragen, dass auch die Optik einem modernen Auftritt entspricht. Die Frage werde sicherlich auch sein, wie spürbar die Investition bei 263 Filialen überhaupt werden, meint RegioPlan-Chef Richter. Werden die Kunden die Veränderungen überhaupt merken, stellt er die rhetorische Frage. Die Profilierung im Frischebereich könnte ein richtiger Ansatz sein. Richter stellt allerdings in Frage, ob die derzeitigen Standorte im Osten für die geplante Zielgruppenansprache richtig seien.

Die Zahlen der Jahresbilanz 2012, die Ende September präsentiert werden, und nach einer richtigen Interpretation der Andeutungen von Geschäftsführer Thomas Janny höchstwahrscheinlich noch in rote Farbe gefärbt, werden den neuen Kurs nicht beeinflussen. Denn Pfeiffer-Mann Erich Schönleitner hat seine Erfolgsziele sind auf Mittelfristigkeit ausgelegt; und diese ist mit 2015 definiert. Richter kennt die Pfeiffer-Gruppe als sehr zielstrebig und kompetent und traut den Oberösterreichern die schwierige Aufgabe, Zielpunkt zu sanieren, noch am ehesten zu.

(red/herbas)

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