Als der "Bankier Gottes" unter der Brücke baumelte

Jahre danach starb Bankier
Jahre danach starb Bankier(c) AP
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Bankchef Roberto Calvi wickelte schmutzige Finanzgeschäfte für Mafia und Vatikan ab. Vor 30 Jahren beging er angeblich Selbstmord. Ein Rückblick.

Am 18. Juni 1982 fand ein Briefträger den italienischen Banker Roberto Calvi erhängt unter der Londoner Blackfriars Bridge. Selbstmord lautete das Ergebnis der Autopsie des britischen Pathologen: "Wir stellen einen Erstickungstod beim Erhängen fest". Calvi, der den Spitznamen "Bankier Gottes" trug, war nicht irgendjemand. Er wickelte für Vatikan und Mafia Finanzgeschäfte ab und verbrachte seine letzten irdischen Tage auf der Flucht, die ihn auch durch Österreich führte. Bis heute ranken sich zahlreiche Gerüchte um seinen Tod.

An die Selbstmord-These glaubte schon vor 30 Jahren kaum jemand. "Ein Mensch wie Roberto Calvi überquert nicht drei Grenzen mit einem falschen Ausweis, um sich unter einer Themse-Brücke aufzuhängen, noch dazu unter extrem widrigen Umständen", schrieb die italienische Tageszeitung "La Repubblica" laut "Spiegel Online". Heute weiß man: Er wurde ermordet.

Mafia, Vatikan und die Geldwäsche

Calvi war als Chef der italienischen Banco Ambrosiano - auch "Bank der Priester" genannt - einst der mächtigste Privatbankier der Welt. 1971 war er Direktor des Instituts geworden, das unter Aufsicht der Erzdiözese Mailand stand. Calvi paktierte sowohl mit der Freimaurerloge "P 2" als auch mit dem sizilianischen Bankier Michele Sindona, dem Papst Paul VI. Gelder anvertraut hatte, wie "Die Presse" bereits anlässlich der 25. Todestages des Bankiers berichtete. Über Sindona kam Calvi ins Zentrum der Vatikanbank IOR, des "Instituts für religiöse Werke". "Die Vatikanbank diente ihm mit ihrem Namen, mit Bürgschaften, mit ihrer Undurchsichtigkeit und Unzugänglichkeit für staatliche Ermittler."

Roberto Calvi
Roberto Calvi(c) AP

Sindona stand zudem im Bund mit der sizilianischen Mafia. Das wusste auch Calvi zu nutzen. "Calvi wusch Mafiageld und spekulierte mit Vatikan-Millionen, machte sich bei Papst Johannes Paul II. aber auch durch diskrete Geldtransfers an die polnische Gewerkschaft 'Solidarnosc' um 1980 unentbehrlich", schrieb "Die Presse". Sindona war für Calvi offenbar so etwas wie ein Lehrmeister. Er lernte laut "Tagesspiegel" die Schwachstellen des feudalistisch organisierten italienischen Bankensystems zu nutzen und sich Politiker und Kirchenleute gefällig zu machen. Und als der Finanz-Zampano Sindona Ende der 1970er Jahre vor allem als Pleitier für Aufsehen sorgte, stand Roberto Calvi bereit, um in dessen Fußstapfen zu treten. Auf den Bahamas und in Panama wurden Briefkastenfirmen gegründet, um das Geld der Mafia zu waschen.

Eine gigantische Geldwaschanlage

Neben der Vatikanbank und der Mafia zählten auch Drogenbosse aus Mittel- und Südamerika zu seinen Kunden. "Er war die Schlüsselfigur in einem schillernden Beziehungsgeflecht aus Mafiosi, Priestern und Politikern. Unter seiner Führung wurde die Banco Ambrosiano zu einer gigantischen Geldwaschanlage mit Briefkastenfirmen auf den Bahamas, Panama, in Vaduz, Zürich und Luxemburg, schreibt "Spiegel Online".

Calvi und "Der Pate"

Regisseur Francis Ford Coppola nahm im dritten Teil seines Mafia-Epos "Der Pate" Bezug auf den Geldwäscheskandal um Roberto Calvi und die Vatikanbank.

Die Filmfigur Don Altobello entspricht in der Realität Michele Sindona, der übrigens vier Monate nach Calvi in einem Hochsicherheitsgefängnis ermordet wurde. Calvi diente der Filmfigur Frederick Keinszig als Vorbild. Der reale Erzbischof Marcinkus ist im Film als Erzbischof Gilday zu erkennen.

Doch auch Calvi stolperte und schlitterte in die Pleite. Im Zuge dessen wurden die illegalen Geschäfte des Bankers publik. Ermittlungen der italienischen Nationalbank ergaben, dass Calvi über 27 Milliarden Lire illegal ins Ausland transferiert hatte. Dafür wurde er in erster Instanz zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt, die jedoch wieder aufgehoben wurde. Calvis wohl fatalster Fehler: Er verspekulierte Mafia-Gelder. Daraufhin drohte er Vatikanbankchef Erzbischof Marcinkus, die illegalen Geldgeschäfte zu veröffentlichen, wenn dieser ihm nicht dabei half, die Löcher in den Bilanzen der Banco Ambrosiano zu stopfen. Doch Marcinkus verwehrte den erhofften Geldsegen und Calvi machte sich einen weiteren ehemaligen und mächtigen Verbündeten zum Feind.

Der falsche Freund

Calvi wurde für seine Gegenspieler zu einer Gefahr. Er hatte belastende Dokumente gesammelt. Zu seiner Frau soll er laut "Zeit Online" gesagt haben: "Wenn mir etwas zustößt, muss der Papst zurücktreten". Doch was Calvi für seine Lebensversicherung hielt, dürfte sein Schicksal endgültig besiegelt zu haben. Zudem vertraut er offenbar dem falschen Mann. Der sardische Geschäftsmann Flavio Carboni inszenierte sich als Fluchthelfer, lockte ihn aber nach London, wo er dann getötet wurde. Als Täter galt für viele der Mafioso Francesco di Carlo, "der Würger". Er bestritt die Tat aber immer und belastete zwei Camorra-Killer.

1998 stellten Pathologen "Spiegel Online" zufolge jedenfalls fest: "Calvi wurde auf einem Müllplatz erdrosselt und dann erst an der Brücke aufgehängt. Darauf ließen Blutergüsse im Hirn schließen, Spuren am Hals und viele andere Indizien. So hatte er keine Nylonfasern des Seils an den Händen, was unzweifelhaft der Fall gewesen wäre, wenn er sich die Schlinge selbst um den Hals gelegt hätte". Ein Mordprozess (Carboni und ein Calvi-Bodyguard befanden sich unter den Angeklagten), der im Jahr 2005 begann, endete schließlich mit Freisprüchen - aus Mangel an Beweisen.

Geheimnisumwitterte Vatikanbank

Die Vatikanbank steht übrigens bis heute im Zwielicht. Bankchef Gotti Tedeschi wurde im Mai nach drei Jahren im Amt fristlos entlassen. Offizielle Begründung: Er sei den "grundlegenden Anforderungen seines Amts" nicht mehr gerecht geworden sein. Tatsächlich wird gegen ihn wegen Geldwäsche ermittelt. Ist er also über das strenge Anti-Geldwäsche-Gesetz gestolpert, das Papst Benedikt XVI. 2011 ausarbeiten ließ?

Das ist nur eine Leseweise. Denn möglicherweise war Tedeschi der Bank unangenehm geworden. Immerhin unterrichtete er einst an der Universität Turin Finanzethik und war geholt worden, um den schlechten Ruf der Vatikanbank aufzupolieren. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, wie sich Tedeschi heute rechtfertigt. Er zahle den Preis dafür, das vom Papst erlassene Anti-Geldwäsche-Gesetz verteidigt zu haben. Denn das Gesetz wurde mittlerweile - gegen den Willen Tedeschis - abgeändert. "Verwässert, wie Gotti Tedeschi moniert. Verbessert, wie die Revisoren versichern", wie der "Tagesspiegel" schreibt.

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