"The Big Short": Zwei Kerle und ein Bloomberg-Terminal

Short Zwei Kerle BloombergTerminal
Short Zwei Kerle BloombergTerminal(c) Campus Verlag
  • Drucken

Die Händler von Kredit-Derivaten hatten vor Ausbruch der Finanzkrise keinen blassen Schimmer davon, was abging. Eine Reise zurück ins Jahr 2008.

"Derivate sind wie Schusswaffen" zitiert Autor Michael Lewis in seinem Buch "The Big Short" einen Banker-Freund. "Das Problem sind nicht die Instrumente, sondern die, die diese Instrumente benutzen". Und die Händler dieser Instrumente hatten vor Ausbruch der Finanzkrise keinen blassen Schimmer davon, was abging. Das ist das äußerst beunruhigende Ergebnis 300 kurzweiliger Seiten.

Unwissenheit als Geschäftsmodell

Es ist diese Unwissenheit, mit der die Akteure der Finanzmärkte ans Werk gingen, die besonders erschreckt. Ob es nun die Bankmitarbeiter waren, die das Monster "Collateralized Debt Obligation" (CDO) erst schufen, oder die Ratingagenturen, die keine Ahnung davon hatten, wie sie diesen neuen Marktinstrumente bewerten sollten: "Moodys und S&P hatten jede CDO zu etwa 80 Prozent mit dem Rating AAA versehen, weil sie von der Annahme ausgingen, die zugrunde liegenden Kredite seien im Grunde nicht alle gleichartig und daher nicht von massenhaften Ausfällen bedroht, sobald die Immobilienpreise nicht mehr steigen sollten".

Die Ratingagenturen vertrauten mehr oder weniger blind den Banken. Denn das Geschäft und leichtverdiente Geld wollten sie sich schließlich nicht entgehen lassen. Nie zuvor fuhren die Agenturen derart leicht Milliardengewinne ein.

Collateralized Debt Obligation (CDO)

CDOs zählen zur Gruppe forderungsbesicherter Wertpapiere (Asset Backed Securities). CDOs sind strukturierte Anleihen, die verschiedenartige Forderungen, insbesondere Kredit- und Hypothekenforderungen in einem Wertpapier verbriefen.

Das Versagen der Banken, der Ratingagenturen sowie der Aufsichtsbehörden bei der Bewertung der Risiken dieser komplexen und intransparenten Produkte gelten als wesentlicher Beschleuniger der Finanzkrise seit 2007.

Quelle: boerse.ARD.de

"Zwei Kerle mit einem Bloomberg-Terminal"

Lewis bringt es mit einem Bild auf den Punkt. "Zwei Kerle mit einem Bloomberg-Terminal", habe die in der Wall Street gängige Beschreibung der CDO-Manager gelautet: "Je stumpfsinniger die beiden dann waren und je weniger Fragen sie über die mit BBB bewerteten minderwertigen Anleihen stellten, mit denen sie ihre CDOs komponierten, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die großen Wall-Street-Unternehmen Stammkunden bei ihnen wurden."

Sein Schluss: "Im Prinzip waren CDOs eine Art Geldwäsche, bei der ein Großteil der Risiken auf dem Markt für zweitklassige Hypotheken salonfähig gemacht wurde, die die Unternehmen nicht auf geradem Wege an den Mann bringen konnten". Und es war nicht immer nur Unwissenheit im Spiel. Auf die Frage, was seiner Meinung nach in sieben Jahren mit den CDOs passieren würde, antwortet ein Bankmitarbeiter: "In sieben Jahren? Was interessiert mich sieben Jahre? Ich bin mehr als glücklich, wenn sie noch zwei Jahre durchhalten".

"Alle verließen den Spieltisch reich"

(c) Campus Verlag

Lewis fällt ein hartes Urteil über die Mächtigen der Wall Street und die Regierungsverantwortlichen: "Ihnen allein war eines gemeinsam: Sie hatten sich als erheblich weniger fähig erwiesen, zentrale Grundwahrheiten des US-Finanzsystems zu erkennen, als ein einäugiger Finanzmanager mit Asperger-Syndrom". Dieser Einäugige zählte zu einer kleinen Gruppe von Außenseitern, der es gelang, die Verfehlungen des Markts richtig zu erkennen. Sie wetteten früh gegen verbriefte Subprime-Anleihen und wurden reich.

Lewis weist dabei auf ein Paradox hin: "Merkwürdig und kompliziert ist, dass nahezu alle wichtigen Beteiligten beider Seiten den Spieltisch reich verließen". Also nicht nur jene, die - ob moralisch verwerflich oder nicht - auf den Untergang des Finanzsystems gewettet hatten, sondern auch jene, die das ganze Schlamassel erst verursacht hatten.

"Will nicht, das das System zusammenbricht"

Und es war nicht so, dass alle Spekulanten skrupellos waren. "Gegen den Markt zu spekulieren und Geld damit zu verdienen machte 2007 Spaß, weil wir die Bösen waren", sagt etwa der Investor Steve Eisman. "Aber 2008 stand das gesamte Finanzsystem auf dem Spiel. Wir spekulierten immer noch dagegen. Aber man will schließlich nicht, dass das System zusammenbricht".

Tatsächlich hätten die Spekulanten bei einem Zusammenbruch des Systems auch nichts gewonnen. Denn bei wem hätten sie dann ihre Wetten einlösen sollen? So mussten einige Spekulanten auch zittern, als die Bank Bear Stearns knapp an der Pleite vorbeischlitterte und im Frühjahr 2008 nur knapp gerettet wurde.

Auslöser der Finanzkrise bereits 1981?

Zum Abschluss seines Buches kommt Lewis auf einen spannenden Nebenaspekt zu sprechen: Er betrachtet als kritischen Moment am Weg zur Finanzkrise jenen, in dem die US-Investmentbank Salomon Brothers 1981 von einer Handelsgesellschaft mit persönlich haftenden Gesellschaftern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Dadurch hätten sich die psychischen Grundlagen der Wall Street verändert: "Aus Vertrauen wurde blindes Vertrauen. Keine Investmentbank, die ihren Beschäftigten gehört hätte, hätte das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital auf 35 zu 1 erhöht oder Mezzanine-CDOs im Wert von 50 Milliarden US-Dollar gekauft und behalten. (...) Die kurzfristig zu erwartenden Gewinne hätten die langfristig zu erwartenden Verluste nicht gerechtfertigt".

Dem Beispiel von Salomon Brothers folgten alle wichtigen Investmentbanken. Sie gingen ebenfalls an die Börse. Von diesem Augenblick an seien die Wall Street-Unternehmen zu einer "Blackbox" geworden. "Die Aktionäre, die das Risiko finanzierten, verstanden nicht wirklich, was die Leute taten, die diese Risiken eingingen, und in dem Maße, wie die Risiken immer komplexer wurden, nahm ihr Verständnis weiter ab". So wurden auch die Kunden nebensächlich.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.