"Made in Germany": Britische Erfindung als Eigentor

Made Germany Briten haben
Made Germany Briten haben(c) AP (Winfried Rothermel)
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Vom Makel zum Gütesiegel: Wie aus einer Produkt-Warnung ein Symbol des deutschen Exportwunders wurde.

Es war in den 1870er Jahren, als die britische Stadt Sheffield für Tafelsilber und Messer weltweit bekannt war - noch lange bevor die deutsche Stadt Solingen ihr den Rang ablaufen sollte. Die Handwerker Sheffields waren aufgebracht: Da stand zwar "Sheffield" auf der Klinge von Messern, doch das Besteck stammte aus dem Deutschen Reich - eine dreiste Produktfälschung. Der Zorn war verständlich, denn immer mehr Kunden griffen zu den billigen Kopien. Die Gewinne gingen massiv zurück.

Die deutschen Nachahmer stellten ihre Produkte nicht aus teurem Gussstahl her, sondern aus Gusseisen. Maschinengearbeitete Feilen wurden zudem als handgemacht ausgegeben und Klingen nicht durch Hämmern gehärtet, was die Messer langlebiger macht, ist in einem "Spiegel Online"-Artikel nachzulesen. Für Aufruhr sorgte aber vor allem eines: Dass die Deutschen auf ihre Produkte einfach "Sheffield made" einprägten.

"Made in ..." soll Billigwaren brandmarken

Sheffield blieb nur mehr eine Hoffnung. Die lokale Industrie bat die britische Regierung um Hilfe. Und London reagierte. 1886 bestätigt eine Kommission des Parlaments: Deutsche Produzenten überschwemmen mit ihren Billig-Imitaten den britischen Markt. Schutzzölle, wie sie die Handwerker forderten, lehnte die "Königliche Kommission zur Untersuchung der Handels- und Industriekrise" aber ab. Stattdessen sollten die Waren aus dem Ausland leicht erkennbar - quasi gebrandmarkt - werden.

1887 beschloss das Parlament, dass alle Importwaren, bei denen Verwechslungsgefahr mit britischen Produkten bestehe, künftig mit dem Hinweis "Made in ..." zu versehen sind. Damit sollte die heimische Wirtschaft gestärkt werden. Die Empörung im Deutschen Reich war groß.

Aus Warnhinweis wird Gütesiegel

Noch 1886 bei der Weltausstellung in Philadelphia wurden deutsche Produkte als armselig eingestuft. Franz Releaux, Vorsitzender der deutschen Jury auf der Weltausstellung, kategorisierte deutsche Produkte als "sehr einfallslos". Daher würden fast nur Fälschungen angeboten, heißt es in einem Beitrag der "Goldschmiede Zeitung". Doch schon bald passierte etwas, womit die Briten nicht gerechnet hatten. Die Deutschen setzten zunehmend auf Innovation und Qualität.

Aus dem Warnhinweis wurde so rasch ein Gütesiegel. Die deutsche Reichstagskommission berichtete bereits im Jahr 1894, dass "die deutsche Industrie nach Erlass des englischen Warenauszeichnungsgesetzes von 1887 in der ersten Zeit manchen Schaden erlitten habe; später habe sie gerade dadurch, dass sie gezwungen war, den deutschen Ursprung anzugeben, Vorteile errungen und sich zum Teil von der englischen Vermittlung im Export emanzipiert". Die deutschen Hersteller produzierten günstig in größeren Mengen und boten ihre Produkte nicht nur in Spezialgeschäften an, sondern auch in Kaufhäusern. Der britische Journalist E. E. Williams ärgerte sich laut "Goldschmiede Zeitung" über das "Made in Germany": "Am meisten spricht dagegen, dass es als kostenfreie Empfehlung der deutschen Waren wirkt".

Heute wird "Made in Germany" kopiert

Der Erfolg blieb nicht auf das britische Königreich beschränkt. Käufer in aller Welt wurden auf die deutschen Produkte aufmerksam. Die Exportzahlen belegten das eindrucksvoll. Betrug der deutsche Export etwa nach Japan im Jahr 1888 rund 4,5 Millionen Reichsmark, waren es 1895 bereits Waren im Wert von 26,5 Millionen. Nur der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhinderte, dass Großbritannien bereits frühzeitig als Exportnation Nummer eins abgelöst wurde.

Heute hat sich die Situation umgekehrt. Kein anderes europäisches Land ist so oft Opfer von Produktpiraten wie Deutschland, kein anderer Schriftzug so oft kopiert wie "Made in Germany".


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