Schweiz: Steuerparadies mit Abstrichen

Steuerparadies Abstrichen
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In der Schweiz müssen reiche Ausländer künftig höhere Steuern zahlen. Vielen Eidgenossen gehen ihre Privilegien zu weit. Denn der Reichtum von außen birgt auch einige Probleme.

Die Schweiz hat als Steuerparadies für reiche Ausländer an Attraktivität verloren. Im Kanton Bern votierten die Eidgenossen am letzten Sonntag bei einer Volksabstimmung für die Anhebung der Pauschalsteuern, die rund 220 in Bern lebende vermögende Ausländer an die kantonale Finanzverwaltung entrichten müssen. Eine entsprechende Entscheidung trafen zwei Tage zuvor auch die beiden Kammern des Schweizer Parlaments. Im Kanton Basel-Land beschlossen die Stimmbürger gar die Abschaffung der Pauschalbesteuerung. Ebenso votierte das Parlament im Nachbarkanton Basel-Stadt.

Eingeführt wurde das Instrument der Pauschalbesteuerung in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts. Viele Prominente zog es daraufhin in die Schweiz. Etwa den englischen Schauspieler Charles Chaplin, der von 1952 bis zu seinem Tod 1977 oberhalb von Vevey bei Montreux wohnte. Nach ihm wurde die Pauschalbesteuerung zeitweise auch „Lex Chaplin“ genannt. Die rund 5000 Ausländer, die heute das Privileg der Pauschalbesteuerung genießen, zahlten im letzten Jahr rund 700 Millionen Franken in die Schweizer Staatskassen.

Für die Bemessung der Pauschalsteuer wird ein Mindestjahreseinkommen von 250.000 Franken (210.000 Euro) angesetzt. Hinzu kommt das Fünffache der Miete, die der Ausländer an seinem Schweizer Wohnsitz zahlt oder zahlen müsste. Dieser Satz soll auf das Siebenfache und das zugrunde gelegte Mindestjahreseinkommen auf 400.000 Franken erhöht werden. In Bern werden nach Schätzung der Finanzbehörden 80 Prozent der 220 pauschal veranlagten Ausländer künftig mehr Steuern bezahlen müssen.

Wer um Pauschalbesteuerung ansucht, darf keine Einkünfte in der Schweiz beziehen und muss mehr als die Hälfte des Jahres im Land verbringen. Einer, der gegen diese Bedingungen ständig verstößt, ist der französische Altrocker Johnny Hallyday. 2006 verlegte er seinen offiziellen Wohnsitz von Paris nach Gstaad im Kanton Bern. Hier besitzt Hallyday ein feudales Chalet, das er aber nur während einiger Winterwochen für die Skiferien nutzt. Ansonsten verbringt der 69-Jährige nach eigenen Angaben die meiste Zeit des Jahres in Los Angeles und Paris.


Kein Problem für Schumacher und Co. Den superreichen französischen Rockstar kratzt die im Kanton Bern beschlossene Anhebung der Bemessungsgrundlage für die Pauschalsteuer auf 400.000 Franken überhaupt nicht. In Frankreich müsste er jährlich 4,2 Millionen Franken (vier Millionen Euro) Steuern zahlen. In der Schweiz sind es 900.000 Franken.

Kaum schmerzen wird die Erhöhung der Pauschalsteuer auch den deutschen Rennfahrer Michael Schumacher. Der siebenfache Formel-1-Weltmeister hat in Gland am Genfersee ein Anwesen für 66 Millionen Franken erstanden. Schumachers Jahreseinkommen wird auf 100 Millionen, sein Vermögen auf eine Milliarde Franken geschätzt. Die Pauschalsteuer, die er dem Kanton Waadt abliefert, sind im Vergleich dazu Peanuts: zwei Millionen Franken pro Jahr. Das entspricht einem Steuersatz von zwei Prozent.

Aber nicht nur die prominenten Sportler oder Künstler unter den privilegierten Ausländern haben den Stimmungsumschwung gegen die Pauschalsteuer bewirkt. Sondern auch die vielen gutbezahlten Bürger aus aller Welt, die infolge der enormen Steuervergünstigungen einiger Kantone für ausländische Firmen in die Schweiz übergesiedelt sind. Sie erhalten von ihren Unternehmen Vergünstigungen, von denen Schweizer nur träumen können. Vor allem in Zürich, Zug und in den beiden Westschweizer Kantonen Genf und Waadt siedelten ausländische Unternehmen ihre Welt- oder Europazentrale an. Zu gut 90 Prozent brachten diese Unternehmen ihre Beschäftigten mit und schafften kaum neue Arbeitsplätze für Schweizer. Zusätzlich zu den guten Löhnen zahlen diese Unternehmen ihren Mitarbeitern oftmals erhebliche Spesen und Zuschüsse, insbesondere zu den Wohnkosten – in Genf von bis zu 5000 Franken monatlich. In der Folge explodierten die Miet- und Immobilienpreise.

Schweizer Normalverdiener können sich die Mieten nicht mehr leisten und werden verdrängt. In Zug, dem Kanton mit den für Ausländer und Schweizer niedrigsten Steuersätzen, ziehen immer mehr Ausländer zu, während immer mehr Schweizer abwandern. Diese Vertreibung aus ihrem eigenen Steuerparadies haben viele Eidgenossen satt.

Steuern

5000reiche Ausländer
leben offiziell in der Schweiz und profitieren dort von den Steuerprivilegien. Sie zahlten im vergangenen Jahr 700 Millionen Franken in die Staatskassen.

2Prozent Steuern
zahlt der deutsche Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher in der Schweiz. Sein Jahreseinkommen wird auf 100 Millionen Franken geschätzt. Alleine seine Villa in Gland am Genfersee kostete 66 Millionen. Zwei Millionen Franken zahlt Schumacher im Kanton Waadt an Steuern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2012)

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