Bestnoten für Kanadas Bankensystem

Banken überwanden die Finanzkrise, weil sie reglementiert, konservativ und langweilig sind.

Ein solides Bankensystem und der Rohstoffboom haben Kanada im Vergleich zu anderen Industriestaaten gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 gebracht. Dass Kanada in den 1990er-Jahren unter liberaler Regierungsverantwortung seinen Haushalt ausgeglichen und die Staatsverschuldung reduziert hatte, ermöglichte es der jetzt amtierenden konservativen Regierung, mit einer Konjunkturspritze von 60 Milliarden kanadischer Dollar (47 Mrd. Euro) die Auswirkungen der Krise abzufedern. Nun ist Kanada auf den Kurs der Haushaltskürzungen eingeschwenkt, mit schmerzhaften Einsparungen, die zum Teil auf konservativer Ideologie vom schlanken Staat beruhen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat Kanadas Wachstumsprognosen für 2012 und 2013 kürzlich leicht um jeweils 0,2 Prozentpunkte zurückgenommen. Für 2012 erwartet der IWF ein Wachstum von 1,9 und für das kommende Jahr von zwei Prozent. Dies ist etwas schwächer als das US-Wachstum, aber deutlich besser als das der großen europäischen Volkswirtschaften. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 7,4 Prozent. Im Jahresschnitt rechnet der IWF mit 7,3 Prozent, wie auch im Jahr 2013.

USA bremst Kanada. In den beiden vergangenen Jahren hatte Kanada die USA mit seinem Wirtschaftswachstum übertroffen. Die Erholung sei „robuster gewesen“, stellt der IWF fest. Gebremst wird das kanadische Wachstum durch die mäßige Erholung in den USA, ist Kanadas exportorientierte Volkswirtschaft doch sehr stark von der Nachfrage aus dem Süden abhängig. Auch die Entwicklungen in Europa bereiten Sorge und haben zu heftiger Kritik Kanadas am Krisenmanagement der Europäer geführt.

Finanzminister Jim Flaherty und Notenbankgouverneur Mark Carney sehen aber auch zwei interne Risken: den Wohnungsmarkt und die Verschuldung der Privathaushalte. Die Kanadier haben in den vergangenen Jahren die niedrigen Zinsen dazu genutzt, Immobilien zu erwerben. Die Verschuldung der Privathaushalte ist auf 150 Prozent des verfügbaren Einkommens gestiegen und Flaherty und Carney warnen, dass viele Haushalte Probleme bekommen könnten, falls die Zinsen steigen. Wer heute eine Hypothek aufnimmt, muss eine höhere Anzahlung leisten und kürzere Laufzeiten in Kauf nehmen. So versucht die Regierung gegenzusteuern. „Ein scharfer oder anhaltender Rückgang der Hauspreise“ könnte die Privathaushalte und die Inlandsnachfrage stark treffen, meint der IWF.


„Langweilig ist jetzt sexy.“ Der IWF gibt Kanadas Banken gute Noten. Das Weltwirtschaftsforum in Davos stuft Kanadas Bankensystem aufgrund der effektiven Regulierung und Aufsicht des Finanzmarkts als das weltweit solideste ein. „Wir sind ein Modell für die Welt, vielleicht ein bisschen langweilig, aber langweilig ist jetzt sexy“, sagt Finanzminister Flaherty mit dem ihm eigenen schelmischen Lächeln.

Das Bankensystem Kanadas ist durch die Dominanz von sechs Banken geprägt. Auf diese „Big Six“ – Royal Bank of Canada (RBC), Bank of Montreal/BMO, Toronto Dominion/TD, Bank of Nova Scotia/Scotiabank, Canadian Imperial Bank of Commerce/CIBC und National Bank – entfielen nach Angaben der Finanzaufsicht OSFI (Office of the Superintendent of Financial Institutions) Ende des Geschäftsjahrs 2011 mit drei Milliarden Dollar 90 Prozent des Bankvermögens in Kanada.

Die Big Six haben die Finanz- und Wirtschaftskrise weitgehend ohne staatliche Unterstützung überstanden. Selbst in der schlimmsten Phase der Krise 2009 konnten die Big Six profitabel bleiben, konstatierte die Ratingagentur Fitch. Anders als viele andere Häuser mussten kanadische Banken nicht auf staatliche Bürgschaften zurückgreifen. Liquiditätshilfen der kanadischen Regierung und der Bank of Canada, „waren relativ begrenzt verglichen mit anderen G7-Ländern“. 2010/2011 machten die Institute Schlagzeilen durch Zukäufe in den USA, was als Beleg für ihre Stärke gesehen wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2012)

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