Fair telefonieren für Fortgeschrittene

Fair telefonieren fuer Fortgeschrittene
Fair telefonieren fuer Fortgeschrittene(c) Fairphone
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Drei von vier Österreichern würden für ethisch korrekt hergestellte Waren mehr bezahlen. Bei Bananen und Kaffee geht das. "Faire" Smartphones gibt es nicht. Das soll sich ändern.

An den Füßen trägt er Waldviertler, am Körper feinste Naturfaser aus dem Weltladen. Brot, Käse und Butter (lieber kein Fleisch) holt er mit dem Fahrrad vom Bauern, das Gemüse kommt mit dem Biokistl oder besser noch vom Gemeinschaftsgarten am Rande der Stadt. Bananen und Schokolade müssen zwar aus Übersee geliefert werden, sind aber natürlich fair gehandelt. Ist der tägliche Einkauf erledigt, geht es noch auf einen Kurzbesuch zum Augustin-Verkäufer des Vertrauens. Dann ist es höchste Zeit, sich bei einem fairen Café-Latte, den es zum Glück schon bei Starbucks gibt, zurückzulehnen und den „guten“ Tag auf Facebook zu dokumentieren.

Wäre da nicht dieses kleine Ding in seinen Händen, das so gar nicht zum ethisch korrekten Selbstbild passen will: das Smartphone. 712Millionen Stück wurden im Vorjahr weltweit verkauft. Und auch wenn es nur jeder fünfte Österreicher weiß: Kein einziges von ihnen wurde ohne Ausbeutung von Arbeitern oder Umwelt hergestellt. Die Geschichte der Handys beginnt im Kongo, wo der Abbau von Coltan den Bürgerkrieg anheizt, und endet bei teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen in den asiatischen Produktionsstätten.


Komplexe Lieferkette.
Drei von vier Österreichern erklären sich in einer Umfrage von AC Nielsen bereit, für ethisch korrekte Produkte auch etwas mehr zu geben. Selbst wenn sich nur die Hälfte im Geschäft noch daran erinnert, stellt sich die Frage: Warum gibt es in der Elektronikbranche kein Unternehmen, das diese Nachfrage stillt?

Die niederländische Stiftung Waag Society will genau das tun. Noch im Herbst soll das erste fair produzierte Smartphone auf den Markt kommen. Mit 250 bis 300 Euro wird das Android-Gerät kaum teurer als die Konkurrenz sein – nur ist eben das gute Gewissen inkludiert. So weit die Theorie. Ganz einfach ist das aber nicht, sagt Joe Mier von FairPhone zur „Presse am Sonntag“. Das im Jänner gegründete Unternehmen der Waag Society hat nämlich mit denselben Problemen zu kämpfen wie alle Handyhersteller. Die Lieferkette bei Smartphones ist kaum überschaubar und hoch komplex.

Das ist auch der einfache Grund, warum es faire Bananen schon lange gibt, aber noch keine fairen Handys. Statt eines Bauers in Ecuador ist hier eine ganze Reihe von Unternehmen beschäftigt. Jedes fünfte Elektronikgerät ist ganz von Zulieferern gebaut.


Kampf im Kongo. Die Schwierigkeiten der Hersteller beginnen schon bei den Rohstoffen. Das berüchtigtste Beispiel ist das seltene Metall Tantal, das aus dem Erz Coltan gewonnen wird. 80Prozent der weltweiten Vorräte liegen im Norden Kongos, wo seit fast 20Jahren ein Bürgerkrieg tobt. Anfangs ging es um ethnische Unterschiede, heute kämpfen die Warlords vorrangig um die Kontrolle über die Minen. Während die Männer und Kinder unter lebensbedrohlichen Bedingungen den für die Handys unverzichtbaren Rohstoff aus der Erde holen, landen die Einnahmen oft in den Taschen bewaffneter Gruppen der Kriegsparteien.

Aber es gibt auch Minen außerhalb des umkämpften Gebiets, in denen die Arbeiter fair bezahlt werden. Aus einer von ihnen, im Süden des Landes, will FairPhone seine Rohstoffe beziehen. Für alle Mineralien geht das aber nicht. Nur Gold, Tantal und Zinn können die Niederländer aus zertifizierten Quellen kaufen. Für die Unternehmen vor Ort steht der Kampf der Europäer für bessere Arbeitsbedingungen nicht im Vordergrund, berichtet Mier. „Sie freuen sich vor allem, dass sie überhaupt Geschäft bekommen.“ Dass sich dabei auch die Arbeitsbedingungen bessern, ist für sie ein angenehmer Nebeneffekt.

Wer alle Rohstoffe beisammen hat, hat damit längst nicht alle Probleme gelöst. 40Prozent aller Elektrogeräte weltweit schraubt Foxconn in China zusammen. Damit verbunden sind einerseits hunderttausende Jobs für die Arbeiter Chinas, andererseits aber exzessive Überstunden, mangelnde Versorgung, schlechte Bezahlung und gesundheitsschädigende Produktionsbedingungen. Spätestens seit vor drei Jahren 13 Foxconn-Arbeiter in den Tod gesprungen sind, ist die Weltöffentlichkeit für die teils miserablen Bedingungen in den Handywerken sensibilisiert.

Auch FairPhone wird nicht um Zulieferer aus Asien umhinkommen, wenn die Niederländer den Preis halten wollen. „Wir werden unser Handy nicht in Amsterdam bauen“, sagt Joe Mier. Stattdessen arbeite das Unternehmen mit internationalen Organisationen zusammen, die dafür sorgen, dass in den Werken die Bedingungen herrschen, die sich die Niederländer vorstellen. „Wir wollen das Problem an der Wurzel packen“, so Mier. Höhere Lohnkosten in Asien sollten den Preis nicht drastisch treiben. Studien zufolge macht der Lohn bei Handys nur ein Prozent der Herstellungskosten aus.

Warum aber kommen dann die Schwergewichte der Branche nicht auf die Idee, hier anzusetzen? Zumal es offenbar Menschen gibt, die schon bei Schokolade bereit sind, einen Euro draufzulegen, wenn sie nicht nur gut schmeckt, sondern auch noch ein gutes Gewissen verspricht. Gleichzeitig könnten Unternehmen wie Apple, die von ihrem guten Image abhängig sind, dafür sorgen, dass ihr Bild in der Öffentlichkeit keine Kratzer bekommt. Ganz nach dem Vorbild von Sportartikelhändler Nike, der in den frühen Neunzigern wegen miserabler Produktionsbedingungen am Pranger stand, sich änderte und heute keine Gelegenheit ausläßt, sich als größter Advokat von fairen Produktionsbedingungen in der Textilindustrie aufzuspielen.


Fortschritte bei Konzernen. Zumindest in der Apple-Zentrale in Cupertino hat nach den Problemen bei Foxconn ein gewisses Umdenken eingesetzt. Vergangenes Jahr hatte der Elektronikriese seinen „Nike-Moment“: Der Konzern trat der Fair Labour Association bei und versprach bessere Arbeitsbedingungen für hunderttausende Foxconn-Angestellte. Ende Jänner gab Apple bekannt, die Zusammenarbeit mit einem Zulieferer zu beenden, der Minderjährige eingesetzt hatte. Auch der weltgrößte Computerhersteller Hewlett-Packard zieht mit. Zulieferer aus Asien müssen strengere Kriterien beim Rekrutieren von Arbeitern einhalten.

Bei der Rohstoffgewinnung sorgt seit vergangenem Jahr ein US-Gesetz für Besserung. Unter dem Dodd-Frank Act müssen alle in den USA börsenotierten Unternehmen nachweisen, dass sie keine Rohstoffe aus Kampfregionen wie dem Kongo verwenden. Erste Erfolge gibt es bereits: Die Produktion von Tantal in den Konfliktregionen ist um 75Prozent gefallen. Viele Hersteller gingen nach Australien und Kanada, wo auch Coltan abgebaut wird.

Von einem hundert Prozent fairen Smartphone sind die Firmen dennoch weit entfernt. „Auch wir werden das heuer nicht schaffen“, räumt Mier von FairPhone ein. Ihm ist klar, dass das Projekt mit geplanten 10.000 Stück im ersten Jahr nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Oder aber der Stachel im Fleisch der Konzerne, der sie antreibt, ihre Muskeln spielen zu lassen und die Bedingungen bei ihren Zulieferern wirklich zu verändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2013)

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