Pferdefleisch: Die Spinnen im Netz des Billigfleischhandels

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Wer steht hinter dem falsch deklarierten Rindfleisch? Es ist ein Netzwerk aus Zwischenhändlern, Großhändlern und Fertiggerichtherstellern. Es reicht von Rumänien über die Niederlande, Zypern, Frankreich bis nach Luxemburg.

Langsam wird das Netzwerk deutlich, das hinter dem europäischen Pferdefleischskandal steckt. Und mit der Gesamtsicht auf die Handelswege und Verknüpfungen wird auch offensichtlich, wer die Spinnen in diesem Netz sind. Zuerst zum Netz selbst: Es erstreckt sich von Rumänien über die Niederlande, Zypern und Frankreich bis nach Luxemburg. Das Pferdefleisch selbst dürfte aus Rumänien und zu einem Teil von außerhalb der EU, etwa aus Kanada, stammen.

Es wird so wie anderes Billigfleisch auch über den Umschlagplatz Zypern teilweise von niederländischen Großhändlern weiter nach Frankreich exportiert. Über Luxemburg findet es seinen Weg in europäische Supermärkte. In Luxemburg befindet sich das Unternehmen Tavola, eine Tochter des französischen Fertiggerichtherstellers Comigel. Der Konzerns beliefert über diese Firma 28 Abnehmer in 13 europäischen Ländern. Darunter sind – wie nun Spiegel Online veröffentlichte – auch die Handelsketten Edeka und Rewe. Das Pferdefleisch dürfte nach den ersten Ermittlungen in das Faschierte gemischt worden sein, weil es derzeit wegen eines Überangebots auf dem Weltmarkt deutlich günstiger zu beziehen ist als Rindfleisch.

Korrekt importiert, unkorrekt exportiert

Das Fleisch hatte einen langen Weg hinter sich. Die letzte Station vor der Verarbeitung dürfte der Großhändler Spanghero im Südwesten Frankreichs gewesen sein, der von den französischen Behörden mittlerweile als einer der Hauptverantwortlichen für den Skandal genannt wird. Untersuchungen, die Ende der Woche veröffentlicht wurden, ergaben ein gewaltiges Ausmaß des Handels mit falsch deklariertem Pferdefleisch. Die Firma Spanghero bezog demnach über sechs Monate 750 Tonnen Pferdefleisch. Das Fleisch war in den Zollpapieren korrekt bezeichnet worden, wie von einem zypriotischen Zwischenhändler ausgestellte Rechnungen belegen. 200 Tonnen davon wurden von Spanghero selbst in Merguez-Würsten und Fertiggerichten verarbeitet, 550 Tonnen wurden weiter an Comigel geliefert – ausgezeichnet als Rindfleisch aus der EU. Aus diesen 550 Tonnen fertigte Comigel schließlich mehr als 4,5 Millionen Fertiggerichte. Comigel ist auch Hersteller der Marke Findus, mit deren von Pferdefleisch versetzte Lasagne vergangene Woche in Großbritannien der Skandal seinen Anfang genommen hatte. Mit im Spiel dürften auch zwei niederländische Fleischgroßhändler sein. Es handelt sich um Jan F. (61) und Hans W. (55). Beide wurden im vorigen Jahr von einem niederländischen Gericht bereits verurteilt, weil sie Pferdefleisch als Rindfleisch deklariert und teuer verkauft hatten. Damals führten sie das Pferdefleisch aus Südamerika ein. Diesmal importierten sie es aus Rumänien. Damals wurde das Pferdefleisch in einem Kühlhaus im südniederländischen Breda als Rindfleisch neu deklariert. Diesmal wurde es über Zypern gehandelt und tauchte später unter anderem in Frankreich falsch deklariert auf. Damals bekam das Pferdefleisch, das sie in Rindfleisch verwandelten, auch noch das für Muslime wichtige Gütesiegel „halal geschlachtet“. Es wurde hauptsächlich nach Frankreich exportiert, wo es von nichtsahnenden Muslimen verspeist wurde. Als der Fleischbetrug aufflog, wurde Jan F. zu einer einjährigen Haftstrafe und Hans W. zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Die beiden Fleischbetrüger sollen damals rund vier Millionen Euro mit dem als Rindfleisch deklarierten Pferdefleisch verdient haben.

Mengen an Pferdefleisch lagern in Holland

Diesmal haben die beiden holländischen Fleischhänder offenbar ähnlich gehandelt – ihre Tarnung für den Fleischbetrug aber verbessert. Denn in einem Kühlhaus im südniederländischen Breda, das beide Fleischhändler für die Zwischenlagerung ihres Fleisches nutzen, liegen noch immer große Mengen des aus Rumänien importierten Pferdefleisches. Es wurde diesmal aber wohl nicht dort durch eine neue Verpackung und Etikettierung im Nu in Rindfleisch verwandelt, sondern das geschah diesmal wohl nach einer Zwischenstation auf Zypern. Während die französischen Behörden davon ausgehen, dass das meiste Fleisch erst in Frankreich die falschen Etiketten bekam, könnte ein Teil auch bereits in Zypern von Pferdefleisch in Rindfleisch „verwandelt“ worden sein. Denn Jan F. ist Eigentümer einer Firma namens „Draap Trading,“ die sowohl einen Sitz in den Niederlanden als auch eine Niederlassung auf Zypern hat. Über die „Draap Trading“ ist das Pferdefleisch wahrscheinlich über Zypern in mehrere andere Länder der EU – darunter auch nach Frankreich – exportiert worden.

Ein Teil dieses falsch deklarierten Pferdefleisches fand übrigens auch den Weg zurück nach Holland, wo es in den Filialen des führenden Einzelhändlers Ahold und dessen Albert-Heijn-Supermärkten in Lasagne Bolognese entdeckt wurde. Jeffrey Grootenboer, der Chef des Kühlhauses in Breda, in dem die beiden mutmaßlichen Fleischbetrüger ihr Pferdefleisch lagern, bestätigt die Zypern-Route. „Jan F. ist die meiste Zeit auf Zypern. Er wohnt auch nicht mehr in den Niederlanden, sondern in Brasschaat in Belgien.“ Brasschaat ist ein Villenvorort von Antwerpen. Dort wohnen fast nur steinreiche Niederländer, die sich hier niedergelassen haben, weil sie in Belgien viel weniger Vermögensteuern zahlen müssen als in Holland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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