Zinsmanipulation: Notenbanker wollen den Euribor ablösen

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Nach dem Skandal um manipulierte Zinssätze fordern Notenbanker Alternativen zu Euribor und Libor. In der Finanzkrise hätten die Bankenzinssätze, an denen Spar- und Kreditzinsen hängen, die Realität nicht mehr abgebildet. Im Extremfall wollen die Notenbanker selbst einspringen.

Basel. 2,6 Mrd. Dollar Strafe haben die Banken Barclays, UBS und Royal Bank of Scotland bereits dafür ausgefasst, dass sie den wichtigen Referenzzinssatz Libor jahrelang zu ihren Gunsten manipuliert haben. Der Libor ist ebenso wie der Euribor Grundlage für Spar- und Kreditzinsen von Millionen Menschen. Doch die Geldbußen waren nur das erste Kapitel des Zinsskandals. Weltweit ist ein Dutzend Geldhäuser im Visier der Behörden, weil sie an Euribor und Libor gedreht haben sollen. Grund genug für die Notenbanker, kräftig auf die Bremse zu treten.

Am Montag präsentierte eine Arbeitsgruppe unter dem Dach der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einer Studie, wie sich die Notenbanker die Lösung des Problems vorstellen: Es brauche Alternativen für Interbanken-Zinssätze wie Libor oder Euribor. Im Extremfall wollen die Zentralbanken die neuen Referenzzinssätze selbst erstellen.

Anfällig für Manipulation

Ganz anders bei Euribor und Libor. Hier entscheiden die Banken die Höhe des Zinssatzes in einer Umfrage selbst. Alle Kreditinstitute, die daran teilnehmen, melden einmal am Tag die Zinsen, zu denen sie glauben, sich von anderen Banken Geld leihen zu können. Das macht die Zinssätze manipulationsanfällig.

Doch die Manipulation allein ist nicht das einzige Problem, das die 13 Währungshüter der BIZ-Arbeitsgruppe (von der Oesterreichischen Nationalbank war niemand dabei) aufzeigen. Gerade in Krisenzeiten oder bei Stresssituationen auf den internationalen Finanzmärkten seien die beiden Zinssätze nur bedingt aussagekräftig, sagen sie. Zuletzt gesehen in den Jahren 2008 und 2009: Nach der Finanzkrise war das Vertrauen der Banken untereinander derart erschüttert, dass der Interbankenmarkt, auf dem sich die Kreditinstitute ohne Sicherheiten Geld leihen, de facto ausgetrocknet war.

Da der Libor und der Euribor aber nur auf Schätzungen der Banken beruhen, zu welchem Zinssatz sie von anderen Banken theoretisch Geld bekommen könnten, wurden dennoch munter Referenzzinssätze gebildet. Mit den tatsächlichen Finanzierungskosten der Kreditinstitute hatten diese Zinssätze jedoch nicht mehr viel zu tun. Hier haben die Geldhäuser bereits eingelenkt. In Hinkunft sollen reine Schätzungen nicht mehr in die Berechnung der Referenzzinssätze einbezogen werden.

Der Euribor hat seit den Manipulationsermittlungen ein veritables Glaubwürdigkeitsproblem. Selbst etliche Banken, darunter auch die Raiffeisen Bank International, haben angekündigt, künftig nicht mehr an der Erstellung des Euribor teilnehmen zu wollen. Bei einem Aus des Referenzzinssatzes müssten in ganz Europa Millionen von Kreditverträgen und die Konditionen von Sparbüchern umgeschrieben werden.

„Politik der Worte reicht nicht“

Zur Lösung des Zinssatz-Dilemmas fordern die Notenbanker in ihrem am Montag veröffentlichten Aufruf vor allem eines: Um die Abhängigkeit der Marktteilnehmer von Euribor und Libor zu verringern, sollen ihnen alternative Referenzzinssätze zur Seite gestellt werden. Genannt werden etwa jene Zinssätze, zu denen sich Banken über Nacht Geld leihen oder Zinswetten zwischen den Instituten, die sich auf deren Zinserwartungen beziehen.

Dabei schlagen die Studienautoren ein unterschiedlich scharfes Vorgehen der Währungshüter vor: Die Minimalvariante, in der sich die Notenbanker auf eine „Politik der Worte“ beschränken, „könnte nicht ausreichen, um die momentane Situation zu ändern“, schreiben sie.

Wohin die Reise letztlich gehen könnte, machte der britische Notenbankchef, Mervyn King, der derzeit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vorsteht, in einer Aussendung klar: Die Referenzzinssätze dürften nicht mehr nur in den Händen von privaten Instituten bleiben, forderte er. „Es ist klar, dass die Zentralbanken eine wichtige Rolle spielen müssen.“ In erster Linie sollen sie nur helfen, die Transparenz sicherzustellen. Gerade in Krisenzeiten sei es aber durchaus denkbar, dass die Notenbanken auch selbst eigene Referenzzinssätze entwickeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2013)

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