„Wie viel Geld jemand auf der Bank hat, geht keinen etwas an“

Vizekanzler Spindelegger und Finanzministerin Fekter
Vizekanzler Spindelegger und Finanzministerin Fekter(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vizekanzler Spindelegger und Finanzministerin Fekter fordern einen Verkauf von Gemeindewohnungen an die Mieter, wollen Steuererleichterungen für Familien und kritisieren die „wahren Steuerparadiese“.

Die Presse: Ist das Bankgeheimnis jetzt ganz weg? Oder nur ein bisschen? Oder nur für Ausländer?

Michael Spindelegger: Das Bankgeheimnis bleibt so, wie es im Gesetz steht. Wie viel Geld jemand auf der Bank hat, ist eine Angelegenheit zwischen der Bank und dem Kunden und geht sonst niemanden etwas an. Rufzeichen.

Aber es geht ja nicht nur um die Oma mit ihrem Sparbuch, sondern auch um potenzielle Steuerhinterzieher aus anderen Ländern.

Spindelegger: Deswegen werden wir das jetzt auch juristisch klären, ob es möglich ist, dass ein ausländischer Staatsbürger, der bei uns Geld veranlagt hat, den EU-Regeln unterliegt, und ein Österreicher nicht.

Maria Fekter: Wir öffnen ja jetzt schon die Bankkonten bei Steuerbetrug oder Geldwäsche, wir schützen aber das Bankgeheimnis. Und dieses Vorgehen, in Kombination mit der Abführung der Quellensteuer an das Heimatland des Sparers, ist wesentlicher effizienter als eine automatische Datenwurst, die in Europa hin- und hergeschoben wird.

Aber auch Luxemburg wird ab 2015 den automatischen Datenaustausch umsetzen.

Fekter: Aber auch Luxemburg wird das Bankgeheimnis für seine Bürger beibehalten. Wir sind für Verhandlungen mit den USA und der EU, aber diese Verhandlungen dürfen keine Einbahnstraße sein. Delaware und Nevada (zwei US-Bundesstaaten, Anm.), das sind Steuerparadiese und Paradiese für die Geldwäsche, die müssen genauso trockengelegt werden. Wir wollen auch, dass die Möglichkeiten in Großbritannien, ein Geldwäscheparadies und ein Steuerparadies zu sein, angegangen werden. Wir haben bei Zypern verlangt, dass neue gesetzliche Regelungen kommen: Die anonymen Geschäftsführer und die anonymen Trusts darf es nicht mehr geben. Was wir für Zypern verlangen, für eine kleine Insel, das verlangen wir auch vom Königreich. Es ist nicht gerecht, dass dort die Trust-Konstruktionen die eigentlichen Paradiese sind. Nicht wir sind das Problem, sondern in dem Zusammenhang ist Großbritannien die Insel der Seligen für Steuerhinterziehung und Geldwäsche.

Der Eindruck war bisher, dass die österreichische Regierung offen für einen automatischen Datenaustausch ist. Der Bundeskanzler hat gesagt, es gehe in diese Richtung.

Spindelegger: Die entscheidende Frage ist: Was versteht man unter Datenaustausch? So wie in Deutschland, dass alle Daten von allen Kunden Tag für Tag an die Finanzbehörden weitergegeben werden? Einen vollautomatischen Datenausgleich dieser Art kann es nicht geben, das wollen wir nicht.

Fekter: Der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz sind beides Grundrechte, die in der Grundrechtscharta der EU stehen. Ich bedauere sehr, dass diese beiden Grundrechte in der ganzen Debatte überhaupt nicht vorkommen.

Aber in dem Fall schützt man am Ende ja vor allem Grundrechte von jemandem, der in seinem Heimatland Steuern hinterzogen hat.

Fekter: Nein, nicht zwangsläufig. Wenn es um Überweisungen für die pflegebedürftige Oma geht oder um die Überweisung für Alimente, dann geht das niemanden etwas an.

Diese Fragen gehen ja auch bei einem Informationsaustausch niemanden etwas an.

Fekter: In Deutschland bekommen die Behörden von den Banken Zugriff auf all diese Daten. Dieser Eingriff in die Privatsphäre in Deutschland ist enorm deftig, deshalb schätzen es viele, dass dieser Eingriff in Österreich wesentlich sensibler diskutiert wird. Ich habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich in Hinblick auf die Grundrechtscharta sehr genau anschauen wird, wie weit der Eingriff in die Privatsphäre gehen darf.

Spindelegger: Um das auf einen Punkt zu bringen: Das Bankgeheimnis bleibt, und wir konzentrieren uns auf die Steuersünder. Und das wird Maria Fekter verhandeln. Wir müssen uns auch dagegen wehren, dass Österreich als Steueroase bezeichnet wird. Wir sind keine Steueroase...

Fekter: ...wir sind ein Hochsteuerland...

Spindelegger: ...es gibt keine Anonymität mehr, niemand kann die Zinsgewinne von Sparbüchern verstecken, sie werden auch bei Ausländern endbesteuert. Diese Vorwürfe gehen völlig fehl. Deshalb ärgert es mich massiv, dass der Eindruck erweckt wird, Österreich sei das Problem. Schwarzgeld kann man bei uns nicht parken, ohne dass jemand draufkommt. Das geht schlicht nicht.

Wenn Sie, Frau Fekter, jetzt so auf das Hochsteuerland hinweisen: Es liegt ja an Ihnen, etwas daran zu ändern.

Fekter: Das habe ich auch vor. Es geht jetzt aber vornehmlich um den Konsolidierungspfad. Aber wir werden mit Sicherheit den Österreichern die Mängel unseres Steuersystems aufzeigen: Es ist leistungsfeindlich, es lädt die Steuerlast auf einer Gruppe von Menschen ab, nämlich auf jene, die in der Früh aufstehen und in die Arbeit gehen und 40 Stunden in der Woche arbeiten. Sie belasten wir mit unserem Steuersystem massiv, sie tragen die ganze Last der Umverteilung. Und dann haben wir noch einen Spitzensteuersatz von 50 Prozent, der so früh greift wie in keinem anderen EU-Land. Das größte Manko ist aber, dass Kinder unserem Steuersystem nichts wert sind.

Spindelegger: Das Steuersystem, das wir für die nächste Legislaturperiode vorstellen werden, muss einfacher werden, es muss leistungsgerechter sein, und es muss familienfreundlich sein. Das sind die Vorgaben, und das arbeitet die Finanzministerin aus, und wir werden es gemeinsam präsentieren.

Aber Ihr Wunsch, Frau Fekter, eine Steuerreform noch vor der Wahl durchzuführen, ist Ihnen von Ihrem Parteichef Spindelegger versagt worden.

Fekter: Wir haben die Prioritäten ganz genau festgelegt: Der Konsolidierungspfad hat jetzt höchste Priorität, es geht um die Stabilisierung unseres Haushalts. Aber wir arbeiten an einer größeren Steuerreform, die wir gemeinsam vorstellen werden.

Also alles wieder sehr harmonisch zwischen Ihnen beiden?

Fekter: Immer gewesen.

Es gab Irritationen, daher wohl ja auch diese gemeinsame Inszenierung. Wer von Ihnen beiden wird der nächste Finanzminister?

Spindelegger: Der Wähler wird entscheiden, ob er uns genug Vertrauen gibt, damit wir das bestimmen können. Erst wird gewählt, dann werden vielleicht Koalitionen gebildet, erst am Ende werden Ministerien personell besetzt. Ich bin mit meiner Finanzministerin außerordentlich zufrieden und arbeite gut mit ihr zusammen. Mein Ziel ist es aber, vom Minoritenplatz 8 (Adresse Außenministerium, Anm.) auf den Ballhausplatz Nummer zwei (Kanzleramt, Anm.) zu übersiedeln.

Und wer soll Vizekanzler unter Ihnen werden?

Spindelegger: Wenn wir die absolute Mehrheit haben, ist das eine gute Frage. Da gibt es viele Kandidaten. Sonst muss man mit einem Koalitionspartnern darüber reden.

Das könnte wer sein?

Spindelegger: Das hängt vom Wähler ab.

Noch einmal kurz zurück zur steuerlichen Bevorzugung von Familien. Was könnte sich ändern?

Fekter: Kinder sind bisher im Steuersystem überhaupt nicht berücksichtigt. Man muss die finanzielle Last, die jemand durch Kinder hat, steuerlich berücksichtigen. Das muss sich ändern.

Die SPÖ möchte im Steuersystem ja auch die Vermögensfrage ändern. Die neue Studie der EZB, wonach nur in Deutschland Vermögen noch ungerechter verteilt ist als in Österreich – ist das nicht Wasser auf die Mühlen der SPÖ, die eine Vermögensteuer will?

Spindelegger: Es gibt aber auch eine OECD-Studie, die das genaue Gegenteil behauptet, dass wir nämlich Umverteilungsweltmeister sind. In keinem anderen Land wird mehr umverteilt als bei uns.

Fekter: Wir haben keine Steuer auf die Substanz, wir schnüffeln nicht in den Privathaushalten herum. Das wäre ein riesiger bürokratischer Aufwand, wenn wir jeden Silberlöffel bewerten müssten. Wir verteilen auch so groß um. Jemand, der hart arbeitet, hat am Ende des Monats netto genau so viel im Geldbörsel wie jemand, der über die sozialen Netze und die Transferleistungen aufgerüstet wird. Wir müssen da höllisch aufpassen, dass Menschen nicht irgendwann sagen: „Warum soll ich überhaupt aufstehen in der Früh und arbeiten gehen?“

Eine Frage noch zu den Gemeindebauten. Würden Sie, Herr Vizekanzler, als früherer Bewohner einer Genossenschaftswohnung heute anders argumentieren und reagieren?

Spindelegger: Ich habe kein schlechtes Gewissen. Ich habe politisch verlangt, dass es für Bewohner eines Gemeindebaus einen Gehaltscheck gibt – ich habe es bei mir nach acht Jahren freiwillig gemacht und nach zehneinhalb Jahren bin ich ausgezogen (aus der Genossenschaftswohnung, Anm.). Ich will niemanden aus einer Gemeindewohnung werfen. Ich mache ganz im Gegenteil ein Angebot: Man soll sie kaufen können. Eine Kaufoption für Sozialwohnungen wäre wichtig.

Die gibt es aber kaum irgendwo in Österreich.

Spindelegger: Leider, ja, aber das könnte sich ja ändern. Gerade die Gemeinde Wien hat mehr als 200.000Gemeindewohnungen. Das wäre doch eine gute Sache, wenn sie die zum Kauf anbietet. Wenn jemand seine Wohnung lieb gewonnen und das Geld für einen Kauf hat, soll er sie kaufen können. Mit den Einnahmen kann man dann neue soziale Wohnungen erreichten.

Fekter: Wenn die SPÖ immer mit der sozialen Durchmischung im Gemeindebau argumentiert: Eine bessere Durchmischung gibt es ja gar nicht als mit Eigentum. Eigentümer ziehen beispielsweise nicht so rasch aus, wenn der Nachbar unliebsam ist. Wenn die SPÖ ihre Forderung nach einer Durchmischung im Gemeindebau ernst nimmt, dann muss sie für den Verkauf von Wohnungen im Gemeindebau sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2013)

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