Südamerika zittert vor dem Kaffeepilz

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Der Kaffeerost genannte Schädling dürfte die Kaffeeproduktion in Zentralamerika um bis zu ein Viertel reduzieren. Besonders drastisch ist die Lage in Guatemala. Die Preise für Kaffee sind zurzeit dennoch im Keller.

Wien/jaz/Ag. In Kolumbien war er schon. Zurzeit ist es in Guatemala besonders schlimm. Aber auch El Salvador, Honduras und Costa Rica melden starke Infektionen. Die Rede ist von La Roya – zu Deutsch: dem Kaffeerost. Dabei handelt es sich um einen Pilz, der die Kaffeepflanzen befällt und im schlimmsten Fall komplett zerstört. Nahezu immer fallen den Pflanzen jedoch die Blätter ab. Die Früchte sind schutzlos der Sonne ausgesetzt und können daher nicht mehr als reife Kaffeebohnen geerntet werden.

Fast 420 Mio. Euro Schaden habe diese jüngste Epidemie des Pilzes bereits verursacht, schätzt die Internationale Kaffeeorganisation (ICO). Besonders drastisch ist dabei die Lage in Guatemala, wo bereits 70 Prozent der Pflanzen von ihm infiziert sind. Die guatemaltekische Regierung rief deswegen im Februar einen nationalen „landwirtschaftlichen Notstand“ aus. 100 Mio. Dollar (76 Mio. Euro) seien notwendig, um die Seuche allein in diesem zentralamerikanischen Land mittels Fungiziden zu bekämpfen, so die ICO weiter.

437.000 Jobs bedroht

Die Regierungen der betroffenen Länder haben zwar Gelder bereitgestellt, doch der Kampf gegen den Kaffeerost ist auch dann oft nicht erfolgreich, wenn die finanziellen Ressourcen für chemische Mittel vorhanden sind. Denn häufig sind es gerade die von Farm zu Farm ziehenden Kaffeepflücker, die die Pilzsporen auf ihrer Kleidung mit sich tragen und so weiterverbreiten. Doch gerade diese einfachen Landarbeiter sind von der Plage auch besonders hart getroffen. So sind zwei der 43 Millionen Einwohner Zentralamerikas direkt in der Kaffeeindustrie beschäftigt. 437.000 davon dürften nun aufgrund des Kaffeerosts ihre Jobs verlieren, schätzt die ICO.

„So eine schwere Plage haben wir seit 1977 nicht mehr erlebt“, sagt der Vorsitzende des nicaraguanischen Bauernverbands, José Solorzano. Dies könnte auch die soziale Situation in den Ländern verschlechtern, wenn sich arbeitslose Kaffeepflücker auf der Suche nach Arbeit auf den Weg in die großen Städte begeben, die schon heute von hoher Kriminalität gezeichnet sind. So haben El Salvador und Honduras eine zwölfmal so hohe Mordrate wie die USA.

Aber auch die gesamte Kaffeeproduktion in Zentralamerika könnte drastisch leiden – manche Schätzungen sprechen von einem Rückgang von bis zu 25 Prozent. So soll die erwartete Produktion statt 13,8 Millionen Sack (zu je 60 Kilogramm) auf nur knapp über zehn Millionen Sack fallen. „Wir hatten ungewöhnlich starke Regenfälle im August, gefolgt von einer längeren Sonnenperiode und starkem Wind. Das waren die perfekten Voraussetzungen für den Pilz, auch bisher nicht betroffene Regionen zu infizieren“, sagt José Buitrago, Präsident des zentralamerikanischen Verbandes der Kaffee-Exporteure.

Nun zittern auch die weiter südlich gelegenen Produzentenländer – allen voran die Nummern eins und zwei des Kontinents, Brasilien und Kolumbien –, dass sich der Pilz dorthin ausbreiten könnte. Gerade Kolumbien hat sich gerade erst weitgehend von einer Pilzepidemie erholt, die 40 Prozent aller Pflanzen zerstörte.

Bislang läuft die Produktion in den größeren Ländern des Südens aber noch ungestört – und das ist auch einer der Gründe, warum der Pilz bisher keine Steigerungen für den Kaffeepreis brachte. Im Gegenteil: Der Preis der in Südamerika hauptsächlich angebauten Sorte Arabica fällt seit Monaten kontinuierlich und liegt mit 2,8 Dollar je Kilogramm auf einem langjährigen Tiefstand. Grund dafür sind extrem hohe Lagerbestände, die sich aufgebaut haben, nachdem es im Jahr 2011 eine Preisspitze von über sechs Dollar je Kilogramm gab und vor allem Brasilien seine Produktion forcierte.

Geringe Nachfrage in Europa

Gleichzeitig brach seither im wichtigen Absatzmarkt Südeuropa die Nachfrage infolge der Wirtschaftskrise ein. Arabica ist somit bereits fast so günstig zu haben wie die zweite große Kaffeesorte Robusta, die vor allem in Asien, aber auch in Afrika angebaut wird und sich mit etwa zwei Dollar je Kilogramm auf ihrem langjährigen Durchschnittswert bewegt. Arabica-Kaffee gilt seit jeher als die feinere Sorte, für wirklich guten Kaffee müssen jedoch beide Sorten gemischt werden.

Doch auch wenn die wirtschaftlichen Folgen des Kaffeepilzes bislang nur in Zentralamerika zu spüren sind, muss das nicht so bleiben. Sollte sich die Pilzepidemie nach Südamerika ausweiten, könnte sie laut Experten zu einem Strukturwandel führen, sodass es etwa zu wenig Arbeitskräfte gäbe, wenn die Produktion wieder anziehe. Und dann könnte der Kaffeepilz auch auf dem Weltmarkt noch seine Spuren hinterlassen.

Auf einen Blick

Der Kaffeerost genannte Pilz befällt Kaffeepflanzen und lässt deren Blätter abfallen. Die Früchte verdorren dann ungeschützt in der Sonne. In manchen Fällen stirbt auch die gesamte Pflanze.
Guatemala ist besonders stark betroffen. Aber auch in anderen Ländern Zentralamerikas wütet die Epidemie bereits. Nun besteht die Sorge, dass der Pilz auch die großen Produzentenländer Südamerikas erreichen könnte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2013)

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