EU-Kommission plant laxeren Umgang mit Budgetdefiziten

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Symbolbild(c) EPA (KARL-JOSEF HILDENBRAND)
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Die EU-Kommission arbeitet an einem Vorschlag, laut dem Investitionen auf das Budgetdefizit angerechnet werden können. EZB-Direktor Jörg Asmussen und die deutsche Regierung fürchten um den Stabilitätspakt.

Wien/Apa/Red. Die EU-Kommission hegt offenbar Pläne, die Schuldenregeln für die Euroländer zu lockern. Die oberste EU-Behörde will den Mitgliedsländern einen größeren Spielraum beim Umgang mit ihren Budgetdefiziten einräumen. Dazu sollen öffentliche Investitionen den Defiziten teilweise angerechnet werden können. Ein entsprechender Vorschlag soll demnächst folgen.

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, geht es dabei um die Kofinanzierung von EU-Strukturfondsprojekten. Wollen die Mitgliedsländer zur Finanzierung von Projekten EU-Mittel lukrieren, müssen sie einen Teil davon selbst bezahlen, in der Regel die Hälfte. Einige EU-Länder, darunter Italien, wollen schon länger, dass dabei eingesetztes Geld auf das Defizit angerechnet werden kann.

Die EU-Kommission bestätigte, dass sie an einem Vorschlag arbeite. Man werde die Frage angehen, wie man öffentliche Investitionen, die die staatlichen Finanzen nachweisbar tragfähiger machen, berücksichtigen könne, so der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Arbeiten daran würden noch einige Wochen dauern, der Vorschlag soll bis zum nächsten EU-Gipfel Ende Juni auf dem Tisch liegen. In Brüssel wurde zudem betont, dass es nicht um Zugeständnisse bei laufenden Defizitverfahren gehe. Budgetdefizite von mehr als drei Prozent – wie die Maastricht-Kriterien festschreiben – müssten nach wie vor abgebaut werden.

Kritiker wie das EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen beruhigt das nicht. Er sieht den Stabilitätspakt in Gefahr: „Man sollte nicht am Stabilitätspakt herumschrauben“, sagte er am Montag auf einer Veranstaltung in Berlin. Es dürfe nicht zwischen guten und schlechten Schulden unterschieden werden.

Italien will Pakt neu verhandeln

Ähnlich sieht das die deutsche Regierung. Sie fürchtet laut dem Bericht zwar keine dramatischen Auswirkungen durch die Anrechnung der Investitionen – aber ein Einfallstor für weitere Forderungen. Das dürfte auch die Linie Österreichs sein. Im Büro von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) will man sich die Vorschläge erst einmal anschauen, bevor man ein detailliertes Urteil abgibt. Aber „Österreich hat das immer eher zurückhaltend gesehen“, so ein Sprecher.

Eine deutliche Forderung, die Defizitkriterien aufzuweichen, kam zuletzt aus Italien. Industrieminister Flavio Zanonato hat sich in einem Interview dafür ausgesprochen, den Stabilitätspakt mit der EU neu zu verhandeln. Das sei ein Bedürfnis vieler Länder, darunter Frankreichs. Die EU-Kommission reagierte irritiert und bekräftigte ihr Bekenntnis zu gesunden öffentlichen Finanzen.

Aber hinter den Kulissen ist die Aufweichung der Regeln längst im Gang. Kein Wunder: Nur fünf Euroländer – Estland, Luxemburg, Deutschland, Finnland und Malta – erfüllen die Stabilitätskriterien. Gegen die übrigen zwölf Länder laufen Defizitverfahren. Die Kommission ließ zuletzt keinen Zweifel daran, dass sie Frankreich, den Niederlanden und Spanien mehr Zeit zur Sanierung ihres Budgets geben würde. Diese Möglichkeit besteht, wenn das Wirtschaftswachstum unerwartet einbricht.

Auf einen Blick

Der Stabilitätspakt schreibt vor, dass das Budgetdefizit eines Eurolandes nicht höher sein darf als drei Prozent. Die EU-Kommission arbeitet offenbar an einem Vorschlag, laut dem bestimmte Investitionen künftig auf das Defizit angerechnet werden dürfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2013)

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