Argentinien: Der Vizepräsident als Gelddrucker

Vizepraesident Argentinien Gelddrucker
Vizepraesident Argentinien Gelddrucker(c) EPA (ALEJANDRO PAGNI / PRENSA PRESIDE)
  • Drucken

Auch in Argentinien gibt es einen Skandal um die Fabrikation von Geldscheinen. In dessen Mittelpunkt stehen die dubiosen Geschäfte des Vizepräsidenten Amado Boudou.

Buenos aires. Wenn Ehen zerbrechen, dann wird in allen Weltgegenden schmutzige Wäsche gewaschen. Doch der Dreck, den Laura Muñoz ans Tageslicht beförderte, überstieg die Dimension eines privaten Rosenkrieges um ein Vielfaches. Seitdem die attraktive Brünette ein Notizbuch ihres Noch-Mannes an Journalisten übergab, erlebt Argentinien einen Skandal, der bis ins Machtzentrum des 40-Millionen-Landes reicht.

Es geht um den Vizepräsidenten Amado Boudou und um die einzige Privatfirma, die imstande war, Banknoten zu drucken. Ciccone Calcografica hieß der Betrieb, der an der Ruta Panamericana angesiedelt ist, etwa 25 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Buenos Aires. Die Firma blühte auf, als die Militärs sie 1978 beauftragten, die Eintrittskarten für die Fußball-WM zu drucken. Bis um die Jahrtausendwende funktionierte der Betrieb, doch nach Wirtschaftskrise und zwei geplatzten Großaufträgen musste die Familie Ciccone im Juli 2010 Bankrott anmelden.

Unbekannter rettete Druckerei

Die Steuerbehörde Afip hatte Forderungen von 239 Millionen Pesos, damals etwa 45Millionen Euro, und drängte die Eigner zum Konkurs. Doch nur zwei Monate später war es dieselbe Afip, die sich dafür stark machte, den Konkurs schnell aufzuheben. Kurze Zeit später zahlte eine Firma namens „The Old Fund“ 1,8Millionen Pesos, etwa 330.000 Euro, und übernahm 70 Prozent der Anteile.

Später stellte sich heraus, dass mehrere Ministerien und Staatsorgane kräftig mithalfen, diese Transition zu organisieren. Keine staatliche Kontrollstelle fand heraus, dass „The Old Fund“ zwei dubiosen Fonds aus den Niederlanden und Uruguay und einem in Florida lebenden Argentinier gehörte, den die US-Justiz wegen mehrerer Betrugsdelikte suchte. Der neue Direktor der Druckerei, die Argentiniens Banknoten fabriziert, war eine in der Geschäftswelt weitgehend unbekannte Figur. Niemand fragte, woher der Anwalt Alejandro Vandenbroele jene 1,8Millionen Pesos auftrieb, um die Firma aus dem Konkurs zu hieven. Gemäß seiner Steuererklärung hatte er zuvor nur ein paar hundert Euro im Monat verdient.

Der dunkle Deal kam erst ans Licht, als Vandenbroeles Ehe scheiterte. Dessen Noch-Ehefrau Laura Muñoz erklärte der Zeitung „Clarín“ bei der Übergabe Vandenbroeles Notizbuchs, dieser sei ein Strohmann von Amado Boudou, des Vizepräsidenten der Nation.

Die Bombe platzte Anfang 2012 in den Sommerferien nach dem gloriosen Wahlsieg Cristina Kirchners, und sie traf jenen Mann, der gerade vom Finanzminister zum Stellvertreter der Präsidentin befördert worden war: den damals 49-jährigen Kabinettsjugendlichen mit langem Haar und einer Vorliebe für Stromgitarren und Harley Davidsons.

Scheidung brachte Fall ins Rollen

Boudou dementierte alles und stellte sich als Opfer einer Medienkampagne hin. Doch die Aufdecker der Zeitungen „Clarín“ und „La Nación“, die beide schon Monate an dem Thema recherchiert hatten, veröffentlichten Ausgabe für Ausgabe Details über die flüssige Kooperation von Behörden, deren Leiter üblicherweise in herzlicher Abneigung gegeneinander arbeiten, über die dubiosen Besitzer von „The Old Fund“ und über die Verbindungen zwischen Vandenbroele und Boudou.

Beide leugneten, einander zu kennen, doch nicht wenigen fiel es auf, dass Boudou bei seinem öffentlichen Dementi der erste war, der den ungewöhnlichen flämischen Nachnamen richtig auszusprechen wusste. Später zeigte sich, dass Vandenbroele offenbar ein Appartement bewohnte, das Boudou gehörte.

Es wurde zwar kein Mietvertrag gefunden, aber es erwies sich, dass Kabel-TV und Telefon von Vandenbroele bezahlt wurden. Und es stellte sich heraus, dass „The Old Fund“ mehrere Reisen von Familienmitgliedern Boudous bezahlte – unter anderem in den US-Skiort Aspen.

Angesichts der vielen Vorwürfe begann die Justiz zu ermitteln. Doch nach zwei Monaten – und der Durchsuchung erwähnter Wohnung – wurden Staatsanwalt und Ermittlungsrichter gewechselt. Drei wichtige Datensätze verschwanden aus einer Justizbehörde. Der Abteilungsleiter musste zurücktreten, aber er fand bald einen neuen, gut besoldeten Posten: im Senat der Nation, dessen Leitung zu den Aufgaben des Vizepräsidenten gehört. Und nur wenige Monate nach dem Outing der erzürnten Ehefrau bekam „The Old Fund“ den ersten Staatsauftrag über den Druck von 500 Millionen Geldscheinen, der mit umgerechnet 42Millionen Euro vergolten wurde.

Als darob neue Unruhe aufkam, ließ Präsidentin Cristina Kirchner vorigen August den Druckbetrieb verstaatlichen. Damit konnte sie die Wasser tatsächlich beruhigen. Anfang dieses Jahres bekam Hugo Alconada Mon den Hinweis, die Justiz wolle die Ermittlungen einstellen. Das konnte der Investigativreporter von „La Nación“ vorerst verhindern. Im Mai erschienen seine Recherchen und Dokumente auf 318 Buchseiten. Der Titel: „Boudou, Ciccone und die Maschine, die Geld druckt.“

Auf einen Blick

In Österreich ermittelt der Staatsanwalt gegen den früheren Vizegouverneur der Notenbank, Wolfgang Duchatczek. Ihm werden Untreue, Bestechung und Geldwäsche in Verbindung mit Aufträgen für den Druck von Banknoten vorgeworfen.

In Argentinien sorgt ein ähnlicher Fall für Schlagzeilen. Dort soll der Vizepräsident über Strohmänner die Banknotendruckerei kontrollieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.