Chaostage bei Siemens

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Das Köpferollen bei Siemens hat erst begonnen. Nach Peter Löscher gerät der vermeintliche Anführer des Putschs, Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, ins Visier.

Wien/Auer. Am Ende musste alles schnell gehen. Keine 56 Stunden nachdem Siemens seine Anleger am Donnerstag mit einer erneuten Gewinnwarnung verschreckt hatte, war auch die Karriere des Österreichers Peter Löscher an der Spitze des deutschen Industriekonzerns beendet. Die Siemens-Aufseher hatten sich am Samstag informell geeinigt, den 55-Jährigen abzusetzen und Finanzvorstand Joe Kaeser zum Nachfolger zu bestimmen. Am morgigen Mittwoch soll das Gremium den Rauswurf offiziell machen. Denn freiwillig, das war klar, werde Löscher nicht gehen.

Gezielte Intrige gegen Löscher?

Wie zum Beweis holte der gebürtige Villacher zu einem letzten Gegenschlag aus: Wenn er schon gehen müsse, dann solle auch sein einstiger Förderer und jetziger Widersacher Gerhard Cromme, Chef des Aufsichtsrats bei Siemens, gehen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. „Ich habe einen Vertrag bis 2017, und jetzt ist der Kapitän bei Siemens mehr gefragt denn je“, sagte der Gerade-noch-Chef. Cromme selbst habe den „Putsch“ gegen Löscher losgetreten, um von sich abzulenken.

Tatsächlich ist der 70-Jährige an der Misere bei Siemens nicht unschuldig. 2007 holte er Löscher als Sanierer ins Boot und trug dessen (Fehl-)Entscheidungen weitgehend mit. Doch seit Cromme im Jänner nach einer Serie an Skandalen als Aufsichtsratsvorsitzender des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp vor die Türe gesetzt wurde, ist der Druck auf ihn groß, auch das Kontrollgremium von Siemens zu verlassen. Nun habe er Löscher geopfert, um sich selbst zu retten, erzählen Insider. Die Gewinnwarnung vom Donnerstag sei nur der lange geplante Todesstoß gewesen. Wäre es nach Peter Löscher gegangen, hätte die Öffentlichkeit vergangene Woche nicht erfahren, dass Siemens 2014 sein (unrealistisches) Ziel nicht erreichen wird. Doch die Vorstandskollegen überstimmten den Kärntner, und der Rest ist Geschichte. Welche Rolle der designierte Thronfolger Joe Kaeser in ihr spielte, wird Siemens noch eine Weile beschäftigen.

Denn der Machtkampf im Hause Siemens ist noch lange nicht zu Ende. Gerüchten zufolge stoßen sich etliche Aufsichtsratsmitglieder, wie etwa der früherer Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, an der „Nacht-und-Nebel-Aktion“, in der Löscher abgesägt wurde. Berichte, wonach der Österreicher in der Aufsichtsratssitzung am Mittwoch eine Kampfabstimmung provozieren wolle, ließ der Konzern prompt dementieren. Löscher legte in der „Bild“-Zeitung nach: „Es geht mir ausschließlich um das Wohl von Siemens und der 370.000 Siemensianer.“

Neun Millionen Euro Abfertigung

Erklärungen, warum sich Löscher plötzlich in sein Schicksal fügt, gibt es viele. Einerseits stehen die Chancen darauf, die Zweidrittelmehrheit gegen ihn zu kippen, sehr schlecht. Denn die Gewerkschaft sehnt sich schon lange nach einer Ablöse des Sparmeisters. Andererseits dürfte Löscher wenig daran liegen, seine eigene Abfertigung zu gefährden. Ein einvernehmlicher Abgang brächte ihm neun Millionen Euro. Kündigte Siemens seinen Chef aber „aus wichtigem Grund“, also etwa wegen „geschäftsschädigenden Verhaltens“, wären seine Ansprüche weitgehend verwirkt. Vielleicht wählte er seine Worte montags deshalb mit Bedacht.

Für Gerhard Cromme ist das bestenfalls ein Etappensieg. Denn der Unmut über den Aufsichtsratschef ist groß. Anlegervertreter forderten am Montag seinen Abgang. Morgen dürfte es dennoch ruhig bleiben. Der Aufsichtsrat wird alles tun, um die Chaostage bei Siemens nicht zu verlängern. Doch die nächsten Ablösekandidaten stellen sich schon an. Ganz vorn in der Reihe steht Gerhard Cromme.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2013)

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