Forschung, Filme und Musik treiben BIP der USA

Forschung Filme Musik treiben
Forschung Filme Musik treiben(c) REUTERS (MARIO ANZUONI)
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Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung und die Herstellung von Kulturgütern gelten in Amerika rückwirkend seit 1929 als Teil der Wirtschaftsleistung. Sie ist somit im Durchschnitt um 0,1 Prozent höher.

Washington. Welchen Wert hat es, wenn der Regisseur Quentin Tarantino einen neuen Film dreht? Oder die Popsängerin Beyoncé ein neues Album aufnimmt? Oder der Pharmakonzern Pfizer ein neues Forschungslabor eröffnet?

Bisher keinen – zumindest nicht in der Statistik des Bureau of Economic Analysis (BEA) im amerikanischen Wirtschaftsministerium. Wenn das BEA bisher Amerikas Bruttoinlandsprodukt (BIP) berechnete, dann galten Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie für die Herstellung von Unterhaltungsgütern als Kosten. Und damit senkten sie das BIP.

Der wirtschaftlichen Realität entsprach diese antiquierte Berechnungsmethode schon lange nicht mehr. Das sieht man regelmäßig, wenn Biotechnologiekonzerne von ihren Konkurrenten gekauft werden oder Popstars astronomische Gagen verhandeln. Wenn zum Beispiel Angelina Jolie im vergangenen Jahr 33 Millionen Dollar (25 Millionen Euro) an Gagen verdiente (die als persönliches Einkommen ins BIP fließen), dann zeigt das, wie hoch die Filmwirtschaft jeden Film mit ihr bewertet – egal, wie viele Millionen er dann tatsächlich einspielt (auch diese Einnahmen an der Kinokassa sind schon jetzt Teil des BIPs). Und dass Internetfirmen wie Facebook an der Börse zu den teuersten Unternehmen der Welt gehandelt werden, obwohl sie nichts Reales herstellen, unterstreicht die Bedeutung von immateriellen Wirtschaftsgütern, allen voran Patenten.

Zeugnis der Zeitenwende

Diese Beobachtungen haben die BEA-Statistiker zu ihrer methodologischen Änderung bewogen. Ab sofort gelten die Ausgaben für Forschung und Entwicklung und die Herstellung von Kulturgütern als Mehrwert schaffende Faktoren. Das gilt rückwirkend bis ins Jahr 1929, dem Beginn der modernen Erfassung der amerikanischen Wirtschaftsleistung. Unterm Strich stieg das BIP der USA somit pro Jahr durchschnittlich um 3,3Prozent, 0,1Prozent mehr als bisher berechnet.

Die neue Berechnungsmethode zeigt, wie diese immateriellen Wirtschaftsgüter mit der Zeit stetig wichtiger werden, weil sich Amerika von einer Industrie- zu einer Informationsgesellschaft entwickelt. Das BIP im Jahr 2007 zum Beispiel wäre laut Aussage von BEA-Direktor Steve Landefeld um fast drei Prozent höher gewesen, wenn man schon damals so gerechnet hätte wie nun.

Weil nun Tätigkeiten erfasst werden, die früher übersehen wurden, fallen Rezessionen weniger drastisch aus als bisher und die Erholung ist danach rascher. So ist Amerikas Realwirtschaft vom vierten Quartal 2007 bis zum zweiten Quartal 2009 – der jüngsten echten Rezession – um 2,9Prozent pro Jahr geschrumpft statt um 3,2Prozent. In den Jahren danach stieg sie um 2,2 statt um 2,1Prozent.

Logischerweise fällt auch der Stand der öffentlichen Schulden als Anteil am gesamten Wirtschaftstreiben niedriger aus als bisher. 2012 zum Beispiel dürften die Schulden der Bundesregierung 71 statt 73Prozent betragen haben: angenehm für Präsident Barack Obama, der für höhere Staatsausgaben zur Sanierung von Verkehrswegen und Schulen plädiert.

Auf einen Blick

Das US-Wirtschaftsministeriumhat am Mittwoch eine wesentliche Änderung seiner Berechnung des BIPs bekannt gegeben. Rückwirkend ab dem Jahr 1929 gelten Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Produktion von Filmen, Musik und Büchern schon zum Zeitpunkt ihrer Erstellung als Mehrwert schaffende Kräfte. Das BIP-Wachstum von 2012 zum Beispiel ist um 0,6 Prozentpunkte höher als bisher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2013)

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