Goldman-Sachs-Affäre: „Fabulous Fab“ verurteilt

Fabrice Tourre nach seinem Urteil.
Fabrice Tourre nach seinem Urteil.(c) EPA (JUSTIN LANE)
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Der frühere Goldman-Sachs-Manager Fabrice Tourre wurde schuldig gesprochen, einen Kunden wissentlich falsch über ein milliardenschweres Hypothekenpapier informiert zu haben. Mit dem Urteil können alle gut leben.

Washington. Die zivilrechtliche Verurteilung des 34-jährigen früheren Goldman-Sachs-Managers Fabrice Tourre ließ am Donnerstagabend alle Beteiligten des Prozesses zufrieden das Gerichtsgebäude in Manhattan verlassen.

Zufrieden durfte erstens der Angeklagte sein: Tourre wurde zwar in sechs von sieben Anklagepunkten schuldig gesprochen, im Jahr 2007 einen Investor über ein milliardenschweres Wertpapier mit Betrugsabsicht falsch beraten zu haben. Dafür muss er aber nicht ins Gefängnis, und auch die Geldstrafe von 5000 bis 130.000 Dollar pro Vergehen – also in Summe höchstens 780.000 Dollar (598.000 Euro) – wird Tourre verschmerzen können; allein im besagten Jahr 2007 verdiente er 1,7 Millionen Dollar. Ob ihm die US-Wertpapierbehörde SEC lebenslang die Arbeit in der Finanzbranche verbietet, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.

Zufrieden darf zweitens der Ankläger sein: Die Securities and Exchange Commission hat erstmals seit Ausbruch der Finanzkrise vor fünf Jahren eine Geschworenenbank von der Schuld eines Angeklagten überzeugt. Darüber darf sich vor allem Mary Jo White freuen, die neue Chefin der Börsenaufsichtsbehörde. Sie wurde vor ihrer Bestellung im April für ihre frühere Verteidigerrolle als Rechtsanwältin von Wall-Street-Firmen kritisiert, die im Clinch mit dem Gesetz lagen.

Zufrieden darf drittens auch der durch Tourres Verhalten geschädigte Investor sein, ein Fonds namens ACA. Er hat 2007 auf Empfehlung von Goldman Sachs gut eine Milliarde Dollar in ein höchst kompliziertes Wertpapier namens Abacus 2007-ACI investiert. Im Grunde verbriefte dieses Papier folgende Wette: Entweder können die unzähligen Hypothekarschuldner in ihren Häusern quer über Amerika verteilt ihre monatlichen Kreditraten weiterhin abstottern. Oder sie können das nicht und werden insolvent. ACA tippte mit dem Kauf des Goldman-Sachs-Papiers auf die erste Variante, also eine Fortsetzung des amerikanischen Immobilienbooms. Paulson & Company, der Hedgefonds des milliardenschweren Investors John Paulson, wettete dagegen. Fabrice Tourre wusste das, verschwieg es aber seinem Kunden ACA. Paulson behielt recht, gewann die Wette und streifte die Milliarde ein.

Tourre will in Ruhe studieren

Für ACA ist das peinlich, denn es zeigt, dass dieses Investmenthaus die Lage der amerikanischen Wirtschaft total falsch eingeschätzt hat; 2007 pfiffen es schon die Spatzen von den Dächern Manhattans, dass die Immobilienblase zum Bersten prall ist. Tourres Schuldspruch ermöglicht es ACA, sich gegenüber seinen Investoren als getäuschtes Opfer organisierter Arglist darzustellen.

Die größte Zufriedenheit über Tourres Schuldspruch dürfte aber in der Chefetage seines früheren Arbeitgebers herrschen. Goldman Sachs hat sich bereits 2010 mit der SEC verglichen. Durch die Zahlung der Rekordsumme von 550 Millionen Dollar und das Eingeständnis, „Fehler“ gemacht zu haben, blieben den Bossen der mächtigsten Investmentbank der Welt peinliche Termine vor New Yorker Richtern erspart.

Tourre, der so zum Sündenbock für Goldmans Geschäftspolitik wurde, will nun in Ruhe weiter an der University of Chicago studieren. Er sei ein sehr begabter Hilfsdozent, sagte einer seiner Professoren neulich zur „New York Times“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2013)

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