McDonald's zynische Milchmädchenrechnung

McDonald's zynische Milchmädchenrechnung
McDonald's zynische Milchmädchenrechnung(c) REUTERS (MIKE BLAKE)
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Die Fast-Food-Kette rechnet ihren US-Mitarbeitern ein Haushaltsbudget vor – und setzt dabei einen Lohn an, der nicht zum Überleben reicht.

Die Schnellimbiss-Kette McDonald's hat unlängst mit der Kreditkartenfirma Visa eine Broschüre namens „Practical Money Skills“ veröffentlicht. „Lerne, Geld klug auszugeben und zu sparen“, verspricht sie und stellt die Modellrechnung für ein Familienbudget auf. Wer in seinem ersten Job 1105 Dollar pro Monat verdient und in seinem zweiten 955 Dollar, dem bleiben nach Abzug von Gesamtkosten im Ausmaß von 1310 Dollar für Miete, Strom und weitere Grundkosten 750 Dollar pro Monat für sonstige Ausgaben.

Das sind 25 Dollar pro Tag: nicht viel, aber wenn man sparsam ist, kommt man damit in den meisten US-Bundesstaaten schon über die Runden. Bloß leidet diese Rechnung gleich an mehreren Illusionen darüber, was das Leben in Amerika wirklich kostet. So setzt McDonald's in der ersten Version die Kosten für die Heizung mit null Dollar an. In der englischsprachigen Ausgabe der Broschüre wurde das rasch auf 50 Dollar verbessert. In der spanischsprachigen allerdings sind nur 30 Dollar für „Calefacción“ budgetiert. Frieren Latinos weniger? Kochen sie so scharf, dass sie ihre Gasherde weniger beanspruchen? Man rätselt.

Genauso kühn ist die Annahme, man könne sich um 20 Dollar pro Monat eine Krankenversicherung kaufen. „Die Presse“ hat den „National Health Care Calculator“ der University of California, Berkeley, mit dem Zahlenmaterial aus der Broschüre gespeist. Im billigsten Fall muss die McDonald's-Mustermitarbeiterin 91 Dollar für die Krankenversicherung bezahlen.

Der eigentliche Zynismus an diesem Rechenbeispiel liegt aber darin, dass McDonald's selbst zugibt, dass man mit einem Lohn als Fleischlaberlbrater nicht überleben kann. 1105 Dollar Lohn pro Monat ergeben angesichts des US-weiten Mindestlohns von 7,25 Dollar pro Stunde eine 38-Stunden-Woche. Wie soll man da noch in einem zweiten ähnlich schlecht bezahlten Job weitere 955 Dollar verdienen? Zumal es heute nicht mehr bloß Teenager sind, die sich in dieser Branche ein Taschengeld dazuverdienen; das Durchschnittsalter der Beschäftigten im Fast-Food-Sektor beträgt in den USA 29 Jahre.

Neulich demonstrierten in zahlreichen Städten tausende dieser Arbeiter für einen Mindestlohn von 15 Dollar. McDonald's lehnt das mit Hinweis auf die Profitabilität ab. Eine Gruppe von Ökonomen an der University of Massachusetts, Boston, hat jedoch errechnet, dass man bloß den Preis des „Big Mac“ um fünf Cent auf 4,05 Dollar erhöhen müsste, um einen Stundenlohn von 10,50 Dollar bezahlen zu können.

10,50 Dollar: So viel müssten die Fast-Food-Arbeiter heute verdienen, hätte man ihre Löhne in den 45 Jahren seit 1968 an die Inflation angepasst.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2013)

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