"Nachhaltige Finanzierung": Finnland kürzt im Sozialnetz

FINLAND COMPETITIVENESS IN EUROPE
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Mit deftigen Einschnitten will das "AAA"-Land die Pensionslücke schließen. Das Sparprogramm soll in den nächsten Jahren neun Milliarden Euro an Einsparungen bringen.

Helsinki/Red./Bloomberg. Mit deftigen Einschnitten ins Sozialsystem und mit Effizienzsteigerungen in der Verwaltung will Finnland einer drohenden Verschlechterung der Wirtschaftslage und der Staatsfinanzen entgegenwirken. Das Programm soll in den nächsten Jahren neun Milliarden Euro an Einsparungen bringen. Premierminister Jyrki Katainen begründete die Einschnitte mit den Worten, Finnland müsse sich entscheiden, ob es seinen Wohlfahrtsstaat in die Unfinanzierbarkeit ausufern lassen oder diesen verteidigen wolle.

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter soll bis 2025 von 60,9 auf 62,4 Jahre angehoben werden, um das Pensionssystem finanzierbar zu halten. Das ist ein wichtiger Punkt, weil die finnische Bevölkerung die rasanteste Überalterungsrate aller Euroländer aufweist.
Daneben ist eine Reihe von Maßnahmen geplant, um Menschen mehr Anreize für die Aufnahme von Arbeit zu geben. So soll etwa die finanzielle Unterstützung für Studenten zurückgefahren werden, um diese zu schnelleren Abschlüssen und einem früheren Eintritt ins Berufsleben zu motivieren. Karenzgelder sollen je zur Hälfte auf Väter und Mütter "gesplittet" werden, um Frauen nach der Babypause schneller wieder in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Und Arbeitslose sollen sechs Monate lang bis zu 400 Euro im Monat dazuverdienen dürfen, ohne Arbeitslosenleistungen zu verlieren. Der Hintergedanke: Sie könnten in Hinkunft ihre Nebenjobs zu Hauptbeschäftigungen machen.

Kräftig reformiert soll aber auch im Verwaltungsbereich werden. So sollen etwa zahlreiche der insgesamt 320 Gemeinden des Landes fusioniert werden, um sie in größeren Einheiten rationeller verwalten zu können.
Mit diesen Maßnahmen will Finnland "ein schönes Stück näher zu einer nachhaltigen Staatsfinanzierung kommen", verlautete aus Helsinki. Finnland steht derzeit in Sachen Staatsfinanzen noch gut da: Die Schuldenquote liegt knapp unter der Maastricht-Grenze von 60 Prozent und damit deutlich unter jener von Österreich oder Deutschland. Es ist das einzige Euroland, dessen Staatsschuld von den Ratingagenturen mit „AAA stabil" geratet wird. Alle anderen Triple-A-Ratings der Eurozone tragen den Zusatz „Ausblick negativ".

>>>Karte: Die Bonität der Euroländer

Allerdings ist die Staatsschuld zuletzt recht deutlich gestiegen, was die Ratingagenturen offenbar etwas nervös gemacht hat. Die tiefen Einschnitte wurden von der Regierung gestern jedenfalls ausdrücklich auch damit begründet, dass man das Triple-A-Rating nicht riskieren wolle. Ein Verlust des Ratings hätte unter Umständen höhere Zinsen für neu aufgenommene Staatsschulden zur Folge. Zuletzt musste Finnland für auf dem Kapitalmarkt aufgenommene Schulden etwas mehr als 2,1 Prozent bezahlen.

IWF kritisiert Tragfähigkeitslücke

Zuvor hatte der Internationale Währungsfonds die Finnen darauf hingewiesen, dass die "Tragfähigkeitslücke" (Sustainability Gap) ihres Sozialsystems bei 4,7 Prozent des BIPs liege und wegen der starken Überalterung der Gesellschaft im Steigen begriffen sei. Der Währungsfonds hatte der finnischen Regierung damals vorgeschlagen, die Tragfähigkeitslücke vollständig durch eine Anhebung des Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre zu schließen. Gegen diese Radikalmaßnahme hatten sich die Sozialdemokraten in der finnischen Koalitionsregierung quergelegt, weshalb jetzt ein ganzes Maßnahmenbündel ausgearbeitet wurde.
Die Ankündigung des Neun-Mrd.-Euro-Maßnahmenpakets gilt ohnehin als mutig genug: 2015 sind in Finnland Parlamentswahlen. Allerdings ist die Bevölkerung durch die mäßige Wirtschaftslage sensibilisiert: Finnland erlebt gerade die zweite Rezession in vier Jahren. Die Staatsfinanzen sind zwar noch in Ordnung, die private Verschuldung ist aber explodiert.

Auf einen Blick

Zwei Jahre später in Pension, weniger Unterstützung für Studenten, dafür Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose: Mit diesen und weiteren Maßnahmen will Finnland die „Tragfähigkeitslücke“ in seinem Sozialsystem schließen und das Triple-A-Rating erhalten. Die Verwaltungseffizienz soll unter anderem durch massive Gemeindezusammenlegungen gesteigert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2013)

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