Wirtschaft: Mehr Schule bringt kein Wachstum

Wirtschaft Mehr Schule bringt
Wirtschaft Mehr Schule bringt(c) Fabry
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Dass es zwischen Bildung und Wirtschaftswachstum einen Zusammenhang gibt, ist unumstritten. Studien zeigen jedoch, dass es nicht reicht, mehr Geld ins Bildungssystem zu kippen.

Sie ist auch in diesem Wahlkampf eines der bestimmenden Themen: die Bildung. Spätestens seit ÖVP-Chef Michael Spindelegger Anfang August den Vorschlag des Integrationsbeirates aufgenommen und eine Bildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr als Idee für das nächste Regierungsprogramm geäußert hat, wird auch hierzulande wieder heftig über Gesamt- und Ganztagesschule, die Schülerzahlen in den Klassenzimmern oder das Lehrerdienstrecht gestritten.

Verständlich, denn Bildung ist ein wichtiges Thema. So gibt es genügend Studien, die zeigen, dass etwa die Kriminalitätsrate sinkt oder die Gesundheit der Bevölkerung sich verbessert, wenn die Bildung der Menschen zunimmt. Einen deutlichen Zusammenhang gibt es aber auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes. Dies ergab erst jüngst ein Regionen-Standort-Ranking der Europäischen Union. In diesem fielen nahezu alle österreichischen Bundesländer deutlich zurück. Entscheidender Grund: die Bildung. So erreichte Österreich beim Segment „Basic Education“ nur den schwachen 21. Rang unter den 28 EU-Ländern und befindet sich hier auf einem Level mit Kroatien, Griechenland, Bulgarien oder Rumänien. Überlegen angeführt wird das Bildungs-Ranking – wie so oft bei dem Thema – von Finnland.


Keine Einigkeit. Von Bildungsexperten und der Politik gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen, wie die heimische Bildungsmisere verbessert werden könnte. Einigkeit gibt es jedoch keine. Oft sind die Vorschläge von einer dahinterstehenden Ideologie beeinflusst. Doch auch Ökonomen haben sich das Thema Bildung in den vergangenen Jahren intensiver angesehen. Sie haben dabei zwar nicht den goldenen Weg zum perfekten Bildungssystem gefunden, aber einige interessante Erkenntnisse gemacht.

So stellten die beiden US-Ökonomen Mark Bils und Peter Klenow bereits im Jahr 2000 empirisch fest, dass das simple Verlängern der Schulzeit kaum positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum eines Landes hat. In ihrer Studie („Does Schooling Cause Growth?“) untersuchten sie die Schuldauer sowie die wirtschaftliche Entwicklung von 56 Ländern zwischen 1960 und 1990. Das Ergebnis: Die Zeit, die Schüler im Klassenzimmer verbringen, sagt kaum etwas darüber aus, wie stark ihre Länder prosperieren, sobald aus den Schülern arbeitende Erwachsene werden.

Dieser Ansatz wurde von anderen Forschern interessiert aufgenommen, die Erkenntnisse im vergangenen Jahrzehnt detailliert. In ihrer Studie („The Role of Cognitive Skills in Economic Development“) schreiben die Ökonomen Eric Hanushek und Ludger Woessmann: „Werden die kognitiven Fähigkeiten in die Messungen einbezogen, gehen die Auswirkungen der Jahre, die in der Schule verbracht werden, gegen null.“ Mit anderen Worten: Schulbesuch bringt der wirtschaftlichen Entwicklung nur dann etwas, wenn dadurch auch die kognitiven Fähigkeiten – etwa die Aufmerksamkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Kreativität – verbessert werden.

Dies mag auf den ersten Blick banal klingen, hat aber nicht unerhebliche Implikationen auf die Bildungsdebatte, wie die weiteren Schlussfolgerungen der Ökonomen zeigen. Denn der Erwerb kognitiver Fähigkeiten hänge nicht nur mit dem Schulsystem zusammen, sondern werde auch sehr stark durch die Familie und die Kultur bestimmt, in der die Schüler aufwachsen, schreiben Hanushek und Woessmann. So könnten Maßnahmen im außerschulischen Bereich mitunter auch stärkere Auswirkungen auf die Leistungen der Schüler haben als Maßnahmen im Schulsystem. „In den meisten Gesellschaften gibt es jedoch eine größere Bereitschaft dafür, dass Eingriffe durch das Schulsystem erfolgen, als dass es Eingriffe im familiären Bereich gibt.“

Um die Schulen zu verbessern werde meist versucht, sie mit mehr Geld auszustatten. Das bringe oft aber nichts. „Die Forschung hat gezeigt, dass eine reine Erhöhung der Mittel, eine Reduzierung der Klassengrößen oder eine verbesserte Ausbildung der Lehrer nicht verlässlich auch zu besseren Bildungsergebnissen der Schüler führt“, heißt es weiter. Dafür bedürfe es meist nämlich einer grundlegenden „Änderung des institutionellen Systems“.

Was genau getan werden sollte, können und wollen die Ökonomen auch nicht sagen. Drei grundlegende Maßnahmen hätten sich jedoch als Erfolg versprechend herausgestellt: eine genaue und regelmäßige Messung der Schülerleistungen, Autonomie, die den Schulen die Entscheidungsfreiheit über pädagogische Konzepte überlässt, sowie ein transparenter Wettbewerb zwischen den Schulen, damit sich die Eltern für die aus ihrer Sicht beste Institution entscheiden können.


Selbst finanzierende Reform. Wie positiv sich eine funktionierende Bildungsreform auf das Wirtschaftswachstum eines Landes auswirken kann, berechnete wiederum das deutsche IFO-Institut („Was unzureichende Bildung kostet“). Darin kommen die Ökonomen zu dem Schluss, dass bei einer Bildungsreform, die die Zahl der deutschen Risikoschüler (wie in Österreich rund 20 Prozent, die beim PISA-Test nicht über die unterste Kompetenzstufe hinauskommen) um 90 Prozent reduziert, langfristig zu einem deutlich höheren Wachstum des Bruttoinlandsprodukts führen würde. „Schon im Jahr 2035 wäre das BIP um ein Prozent höher, im Jahr 2044 wären es bereits zwei Prozent“, heißt es.

Auch die Kosten, die mit einer solchen Reform verbunden wären, würden sich über die Zeit von selbst rechnen. So liegen die deutschen Ausgaben für den Pflichtschulbereich bei 2,6 Prozent des BIPs (in Österreich bei 2,9 Prozent). „Aufgrund der Reform liegt das BIP ab dem Jahr 2048 um mindestens 2,6 Prozent höher als ohne Reform. Mit anderen Worten: Bliebe das Bildungsbudget als Anteil am BIP konstant, dann könnten ab 2048 die Bildungsausgaben durch das zusätzliche BIP finanziert werden“, heißt es in der Studie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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