Das Missverständnis Finanztransaktionssteuer

Traders work on the floor of the New York Stock Exchange
Traders work on the floor of the New York Stock ExchangeREUTERS
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Sie wird kommen, wenig bringen - und still und leise verschwinden. Die "Robin-Hood-Steuer" ist nicht mehr als ein eine politische Wunschvorstellung.

Die Geschichte der Menstruation – das wissen wir aus der Werbung – ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Gegenüber der berühmt-berüchtigten Finanztransaktionssteuer (FTS) ist die Menstruation aber geradezu simpel. Bei der FTS verhält es sich so: Befürworter und Gegner stehen einander spinnefeind gegenüber – obwohl kaum jemand eine Ahnung hat, wofür oder wogegen da eigentlich gekämpft wird. Was in den Medien der Einfachheit halber als „Robin-Hood-Steuer“ bezeichnet wird, ist bisher nämlich nicht mehr als ein grobes Konzept, eine Idee, eine politische Wunschvorstellung.

Das fängt schon beim Spitznamen an. Robin-Hood-Steuer klingt natürlich cooler als Finanztransaktionssteuer. Trotzdem ist die Bezeichnung irreführend, ja richtiggehend skandalös. Robin Hood hat doch vom gemeinen Steuereintreiber (dem Sheriff) gestohlen und das Geld den Besteuerten zurückerstattet. Wie kann also irgendeine Steuer seinen Namen tragen?

Diese Erkenntnis wird sich freilich nicht durchsetzen – genauso wenig wie das kürzlich aufgetauchte EU-Rats-Gutachten, demnach (und das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen), die von der EU-Kommission geplante FTS den Grundfreiheiten der EU widerspreche und deshalb juristisch gar nicht möglich sei. „Stimmt nicht“, sagt die EU-Kommission über ihre Idee. (Dass nur noch elf EU-Staaten diese verfolgen, sei ausgeklammert.)

Wobei die Motivationen der Kommission noch am ehesten zu verstehen sind: Jeder Tag ohne Machtzuwachs ist für die EU-Bürokraten ein schlechter Tag – und die FTS wäre ein doppelter Sieg für Barroso und Co., weil man sich das genau überlegt hat und zu der total überraschenden Erkenntnis gelangt ist, dass eine direkte Überweisung der Steuereinnahmen nach Brüssel wohl das Beste sei. Genial, nicht? So käme die EU zu ihrer ersten eigenen Steuer, die man ja später bei Bedarf auch (nach oben) anpassen kann.

Aber: Wieder einmal hat die Kommission die Rechnung ohne die Nationalstaaten gemacht, die die Einnahmen der Steuer natürlich für ihre eigenen (leeren) Staatskassen brauchen. Manche Staaten (wie Österreich) so sehr, dass sie das Geld aus der imaginären Steuer schon verplant haben!

Und nach jahrelanger Streiterei und geschicktem Lobbying der Banken ist von der ach so gerechten „Steuer für die Krisenverursacher“ ohnehin nicht viel übrig. Ja, es wird wohl etwas geben, was man „Finanztransaktionssteuer“ nennen wird – damit man sich selbst auf die Schulter klopfen kann. Aber das war's dann auch wieder: Barroso bekommt die Einnahmen nicht – und nach ein paar Jahren wird sie ohnehin still und leise wieder abgeschafft. Dann ist diese Geschichte vorbei.

E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2013)

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