Mindestlohn als Jobgefahr

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In Deutschland und Österreich wird heftig über einen Mindestlohn diskutiert. Experten warnen vor negativen Folgen.

Wien. Wie sehr sich die Diskussionen gleichen. Ein Mindestlohn „verschlechtert die Beschäftigungschancen von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen“. Sagt Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank. Ein Mindestlohn „gefährdet heimische Arbeitsplätze“. Sagt der Generalsekretär der österreichischen Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer.

Seit in Deutschland SPD und Grüne und in Österreich SPÖ-Parteichef Bundeskanzler Werner Faymann einen allgemeinen Mindestlohn fordern, wird heftig diskutiert, ob Arbeitnehmer davon überhaupt profitieren würden. Er würde helfen, die Armut zu bekämpfen und die Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen zu verkleinern, meinen die Befürworter. Er würde hunderttausende Jobs vernichten, meinen die Gegner.

In Deutschland wollen Rot und Grün einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. In Österreich hält Faymann 1500 Euro brutto pro Monat für angemessen, was einem Stundenlohn von 8,67 Euro entspricht.

In Österreich wird derzeit im Handel und bei Dienstleistungen am wenigsten verdient: Knapp 1400 Euro ist die Untergrenze für Vollzeitbeschäftigte im Handel, die oft zitierte Friseurin liegt mit etwa 1200 Euro brutto pro Monat (ohne Trinkgelder) am untersten Rand der Einkommen.

In Österreich werden fast alle Löhne durch Kollektivverträge geregelt, 98 Prozent der Arbeitnehmer haben laut ÖGB einen von den Sozialpartnern ausgehandelten Mindestlohn. Die 1500 Euro können daher nur ein Wunsch der Politik sein, weil man „nicht in die Tarifautonomie der Sozialpartner eingreifen will“, wie man im Sozialministerium erklärt. In Deutschland gibt es die flächendeckenden Kollektivverträge dagegen nicht, ein Mindestlohn müsste also per Gesetz festgelegt werden.

„Das hält die Wirtschaft aus“

In Österreich hat sich die Regierung Gusenbauer/Molterer 2007 auf einen Mindestlohn von 1000Euro geeinigt, den die Gewerkschaft in den KV-Verhandlungen „nach und nach angegangen ist“, wie Bernhard Achitz, Leitender Sekretär im ÖGB, erklärt. Eine „Absichtserklärung der Bundesregierung“ auf eine KV-Mindestentlohnung von 1500 Euro „hält die Wirtschaft sicher aus“. Vor allem auch deshalb, weil „die Betroffenen das zusätzliche Geld wieder durch Konsum ausgeben würden“. Dass Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten kommen und weniger Personen beschäftigen würden, glaubt Achitz nicht.

Diese Gefahr sieht dagegen Herbert Hofer, Arbeitsmarktexperte beim Institut für höhere Studien (IHS). Menschen, die vom Mindestlohn profitieren sollen, könnten am Ende ihren Job verlieren, weil die Unternehmen sie sich nicht mehr leisten können. Als positiven Effekt sieht Hofer, dass mehr Menschen in den Arbeitsprozess einsteigen würden.

Sinnvoller wäre für den IHS-Experten eine Steuerreform, die Geringverdiener entlastet und ihnen mehr Nettoeinkommen lässt. Ähnlich die IV: Ziel müsse es sein, den Faktor Arbeit steuerlich zu entlasten. Derzeit bleibe einem Beschäftigten von den Gesamtarbeitskosten nur etwa 40 Prozent.

Dass die Diskussion über den Mindestlohn vor allem mit Blick auf den kommenden Sonntag geführt wird, ahnt man beim Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. Dort schwiegen die Experten bei Fragen zum Mindestlohn: Man wolle so knapp vor der Wahl nichts zu dem Thema sagen. (rie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2013)

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