Fotografie: Analog schlägt digital

Analog schlaegt digital
Analog schlaegt digital(c) Erwin Wodicka - wodicka@aon.at (Erwin Wodicka)
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Die vom Boom der Smartphones gebeutelten japanischen Kamerahersteller suchen nach Antworten auf sinkende Absätze. Einige setzen auf Premiumprodukte, andere holen alte Ideen hervor.

In einem Biergarten nahe dem Stadtzentrum von Hiroshima ist die Stimmung auf dem Höhepunkt. „Cheeeesu“, grinst Chikako Kamemoto erwartungsvoll zu ihren Freundinnen und legt den Finger auf den Knopf. Die vier jungen Damen vor ihr grinsen zurück, Kamemoto drückt auf den Auslöser. Aus der Kamera der 20-jährigen Studentin tönt ein leises Surren, ein Bild im Kreditkartenformat kommt heraus. „Sieht super aus“, strahlt eine der Freundinnen einen Moment später und reicht das Bild herum. Begeistertes Klatschen.

Trotz ihres jungen Alters wissen die jungen Frauen um den Retrocharakter der Kamera. Schließlich ist das Modell Cheki von Fujifilm ein Renner in ganz Japan. „Das ist doch cool“, erklärt Chikako Kamemoto. Viele Japaner sehen das genauso. Die neuere Spielart der legendären Polaroidkamera verkaufte sich im vergangenen Jahr rund 1,5 Millionen Mal. Das Geschäft läuft so gut, dass Fujifilm noch diesen Herbst eine verbesserte Version auf den Markt bringen wird. So hofft das Unternehmen auf einen 25-prozentigen Verkaufszuwachs, wenigstens in diesem Segment.

Die Strategie wirkt wie die ironische Antwort auf Probleme einer Branche, in der die meisten um ihre Existenz kämpfen. Denn täglich werden zwar weltweit 500 Millionen Fotos auf soziale Netzwerke hochgeladen, China exklusive. Aber die großen Kamerahersteller profitieren davon wenig. Denn gleichzeitig dürften in diesem Jahr fast eine Milliarde Smartphones verkauft werden, die allesamt über zumindest mittelmäßig gute Kameras verfügen.


Canon und Nikon in Bedrängnis. Das bekommt gerade Japan zu spüren, wo viele der größten Hersteller der Welt beheimatet sind. Die jüngsten Quartalszahlen von Ende Juni zeigten das einmal mehr. Canon und Nikon, die mit einem gemeinsamen globalen Marktanteil von 40 Prozent führenden Produzenten von Kompaktkameras, werden weiter dezimiert. Bei Canon brachen die Verkäufe um ein gutes Viertel ein, bei Nikon noch stärker. Nach Zahlen des Interessenverbands der japanischen Fotoindustrie lieferte die japanische Branche im vergangenen Quartal noch gut 19 Millionen Kameras ohne Wechseloptik aus. Ein Jahr zuvor waren es fast doppelt so viel gewesen.

Besonders stark betroffen vom Smartphone-Boom sind Kameratypen, die nicht sonderlich besser sind als die in den Telefonen integrierten Modelle. Branchenexperten betonen immerzu, dass jene Benutzer, die ihre Fotos nur mit mittelmäßigen Geräten schießen, eben mehr auf Lifestyle als auf die Qualität der Fotografie achten. Der Komfort, ein Foto direkt nach dem Abdrücken im Internet hochladen zu können, hat demnach zumindest einen ähnlich großen Wert wie die Qualität der Aufnahme. Fazit: Früher oder später würden die heute mittelmäßigen Digitalkameras vom Markt verschwinden.
Die Antworten auf diese Bedrohung sind unterschiedlich. Fujifilm hat angekündigt, die Anzahl neuer Modelle von 20 zu halbieren und generell stärker auf Produkte zu setzen, mit denen Smartphones nicht mithalten können. Auch Olympus will seine billigste Produktlinie streichen, prognostiziert für das laufende Jahr aber auch nur halb so viele Verkäufe wie im vergangenen Jahr.

Eine Konzentration auf hochwertige Spiegelreflexkameras, die sich nach wie vor gut verkaufen, ist die bisherige Strategie von Canon. Zudem setzt das Unternehmen auf schnelle und einfache Kompatibilität mit anderen Geräten wie etwa Smartphones oder Laptops. Nikon-Chef Makoto Kimura eröffnete kürzlich, dass sein Unternehmen womöglich bald ein eigenes Smartphone entwickeln werde. Schließlich gilt die Qualität der Kameras als wichtiger werdendes Kaufkriterium neuer Telefone. Als Technologieführer sähe sich Nikon in einer guten Startposition. „Wir wollen ein Produkt erschaffen, das das Konzept von Kameras verändert“, sagte Kimura zur Nachrichtenagentur Bloomberg.

Aber dann ist da eben noch die Analogkamera von Fujifilm, deren Erfolg den Urteilen vieler Analysten zu widersprechen scheint. „Mit der Kamera produziere ich jedes Mal ein einzigartiges Foto. Das ist ein tolles Geschenk“, sagt Chikako Kamemoto. Die Bildqualität sei zwar nicht so gut wie bei der Digitalkamera, die sie vorher hatte. „Aber bei diesen Kärtchen, auf die die Fotos gedruckt sind, wird einem einfach warm ums Herz.“ Dass sich die Bilder nicht hochladen ließen, sei zwar einerseits schade, sichere den Aufnahmen aber andererseits eben auch ihre Einmaligkeit zu. Außerdem sei so ein Retroprodukt trendig, gesteht Kamemoto. Einige ihrer Freundinnen haben es ihr schon nachgekauft.

Instantkameras als Rettung. Ende September kam in Japan schon die nächste Version der Cheki auf den Markt. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, die es für rund 10.000 Yen (rund 75 Euro) gab, kostet sie das Doppelte, bietet aber auch mehr Qualität, etwa übereinanderliegende Bilder und eine höhere Auflösung. Das neutrale Design soll alle Käufergruppen ansprechen, auch ältere Nostalgiker. Die 700 Yen, die ein Farbfilm dann kostet, dürften die meisten Kunden nicht abschrecken. „Wenn ich ein Geschenk für Freunde kaufe, gebe ich mehr aus“, sagt Chikako Kamemoto.

Dass die Strategie von Fujifilm aber die Kamerabranche retten wird, ist unwahrscheinlich. Noch ist das Unternehmen mit den Instantkameras allein auf weiter Flur. Viel mehr Betriebe wird der Markt wohl auch nicht ertragen. Im zweiten Quartal überschritt die Anzahl verkaufter Smartphones erstmals die herkömmlicher Telefone. Digitale Bilder werden wohl weiter boomen – und die klassischen Kamerahersteller noch mehr Probleme bekommen.

Retroprodukt

Die Kamerahersteller leiden vor allem unter dem Boom der Smartphones, die allesamt über zumindest mittelmäßig gute Kameras verfügen. Heuer dürften rund eine Milliarde Smartphones verkauft werden.

Fujifilm hat eine richtiggehend ironisch anmutende Antwort auf dieses Problem gefunden: Mit dem Modell Cheki können Sofortbilder im Kreditkartenformat gemacht werden. In Japan ist die neue Spielart der legendären Polaroidkamera ein voller Erfolg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2013)

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