"Im Energiebereich so wenig Förderung wie möglich"

Oettinger bdquoEnergiebereich wenig Foerderung
Oettinger bdquoEnergiebereich wenig Foerderung(c) EPA (OLIVIER HOSLET)
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Laut EU-Energiekommissar Günther Oettinger wird Schiefergas auch in Europa eine „entscheidende Rolle“ spielen.

Die Presse: Im Juli wurde ein Entwurf bekannt, wonach die EU-Kommission plant, nationale Ökostromsubventionen in ihrer bisherigen Form abzuschaffen. Künftig müssten die Förderungen EU-weit ausgeschrieben werden, die effizientesten Anlagen hätten darauf Anspruch. Wird das so kommen?

Günther Oettinger: Es soll im Energiebereich grundsätzlich so wenig Förderung wie möglich geben. Bei Erneuerbaren wird man um Förderungen jedoch nicht herumkommen. Für diese Förderungen wäre ein europäischer Rahmen natürlich wünschenswert, da wir so auch hier einen einheitlichen Binnenmarkt schaffen würden. Laut den EU-Verträgen haben die nationalen Mitgliedstaaten in dieser Frage jedoch die Entscheidungshoheit. Es wird in absehbarer Zeit daher keine Europäisierung der Förderregime geben.

Wenn Förderungen europaweit ausgeschrieben werden müssten, würde das Geld österreichischer Steuerzahler in Solaranlagen in Griechenland, statt in Österreich fließen. Wäre das aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Es gäbe einen Wettbewerb der besten Standorte. Und ich glaube, dass das der richtige Weg ist, um im Bereich der Erneuerbaren mehr Effizienz zu schaffen. Parallel dazu müsste die Kapazität des transeuropäischen Stromnetzes erhöht werden. Dann steigt durch solche Maßnahmen die Versorgungssicherheit Europas, während gleichzeitig die Produktionskosten sinken.

Bis wann wäre ein solches europäisches Fördersystem für Erneuerbare realistisch?

Dazu braucht es die entsprechende Infrastruktur, aber auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten. Ich glaube also, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern wird, bis es so weit sein kann.

Sollten auch AKW als förderwürdig gelten, da sie kein CO2 emittieren?

Ich stehe Förderungen von AKW kritisch gegenüber – jetzt und auch in Zukunft. Nach dem geltenden Lissabonner Vertrag entscheiden aber die Mitgliedstaaten allein, welche Energiequellen sie nutzen – also auch die Frage: „Atomkraft: Ja oder nein?“. Als EU-Kommissar muss ich das akzeptieren, so wie ich akzeptieren muss, dass es Mitgliedsländer gibt, die eine solche Förderung wollen. Die Frage müsste im konkreten Fall von Fachleuten geprüft werden – etwa, ob durch solche Förderungen der EU-Wettbewerb beeinflusst werden würde. Das müsste dann der EU-Wettbewerbskommissar im Einzelfall entscheiden.

Die Förderung des Ökostroms würde weiterhin durch die Stromkunden bezahlt werden. In Deutschland wird diese Frage demnächst vor dem Bundesverfassungsgerichtshof landen, weil ein neues Gutachten aussagt, dass das deutsche Ökostromgesetz verfassungswidrig ist. Was halten Sie davon?

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz war ein gutes Gesetz für die ersten Jahre und den Aufbau der erneuerbaren Energieträger. Inzwischen führt das Gesetz jedoch zu unnötigen Kostensteigerungen und ist sowohl verfassungsrechtlich als auch EU-rechtlich fragwürdig. Schlussendlich muss aber das Verfassungsgericht entscheiden, wobei ich die Kritik an dem Gesetz für nicht ganz abwegig halte.

Eine andere Entscheidung wurde diesen Sommer gefällt. So entschieden sich die Betreiber des aserischen Gasfeldes Shah Deniz 2 gegen die Nabucco-Pipeline und für das Konkurrenzprojekt TAP, das in Süditalien endet. Ist das eine negative Entscheidung?

Wichtig ist, dass wir erstmals Gas aus Aserbaidschan bekommen und damit einen neuen Gaslieferanten. Und wir haben mit Aserbaidschan einen Türöffner in der Region. Wir rechnen fest damit, dass uns auch andere Länder wie Turkmenistan und der Nordirak künftig mit Gas beliefern werden. Dadurch schaffen wir eine Diversifikation der Lieferanten und somit eine höhere Versorgungssicherheit.

Für Brüssel waren TAP und Nabucco also gleichwertig?

Nabucco war lange Zeit das einzige Projekt, das unseren Ansprüchen genügt hat. Letztendlich war TAP in der Kombination mit TANAP – einer neuen Pipeline durch die Türkei – jedoch gleichwertig. Und da TAP betriebswirtschaftlich geringere Kosten verursachte, muss man die Entscheidung des Gaskonsortiums in Aserbaidschan akzeptieren. Wir arbeiten aber daran, dass eine Pipeline durch Bulgarien, Rumänien, Ungarn bis nach Österreich dennoch Realität wird. Wenn auch nicht mehr unter dem Namen Nabucco und mit anderen Investoren. Die EU braucht derzeit 550 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr. Zwei Drittel davon sind Importe. Mittelfristig werden wir jedoch bis zu 650 Milliarden Kubikmeter jährlich brauchen.

Woher sollen diese Mengen kommen?

Durch den Bau von sechs oder sieben LNG-Terminals werden wir den globalen Markt von verflüssigtem Gas besser nützen können. Wir glauben, dass Schiefergas eine entscheidende Rolle spielen wird. Und wir erwarten uns mehr Gas aus der Region des Kaspischen Meeres. Derzeit sind das rund zehn Mrd. Kubikmeter, künftig könnten das zwischen 30 und 40 Milliarden sein.

Heißt das, dass auch aus dem Iran Gas kommen soll?

Der Iran ist aufgrund der politischen Führung dort derzeit kein Thema.

Sie haben vorhin auch Schiefergas angesprochen. Hier gibt es in Europa viel Widerstand. Warum soll das anders werden?

Der Schutz des Trink- und Grundwassers hat immer absoluten Vorrang. Wir glauben aber trotzdem, dass es möglich sein sollte – unter Wahrung dieses Schutzes – in Europa zumindest Probebohrungen zuzulassen. Und es gibt ja bereits einige Länder, die Interesse an Pilotanlagen haben. Etwa Großbritannien oder Polen.

Verstehen Sie den Widerstand in Ländern wie Österreich, wo sogar jegliche Forschung in Sachen Schiefergas de facto untersagt wurde?

Wir respektieren diese Bedenken. Die Entscheidung – für oder gegen Schiefergasbohrungen – wird letztlich aber nur im Mitgliedstaat selbst getroffen, nicht auf EU-Ebene. Wir können nur die Bedingungen festsetzen, unter denen diese stattfinden können – etwa durch spezielle Umweltauflagen.

ZUR PERSON

Günther Oettinger(geboren 1953 in Stuttgart) ist seit dem Jahr 2010 EU-Kommissar für Energie. Davor war der deutsche CDU-Politiker Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er hat Jus und VWL an der Universität Tübingen studiert und danach als Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt gearbeitet. Er gilt als ein vehementer Befürworter der Atomenergie.


Im Jahr 1989
sorgte der Jungpolitiker Oettinger erstmals für Aufsehen, als er ein Verbot für Motorräder auf öffentlichen Straßen forderte. Zwei Jahre später wurde ihm der Führerschein entzogen, weil er mit 1,4 Promille Alkohol im Blut hinterm Steuer erwischt wurde. Damals war Oettinger Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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