China hat sein Billigimage satt

(c) EPA (David Shen)
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Ramsch zu produzieren, kommt für China immer weniger infrage. Hochwertige Produkte sollen zum Wachstumstreiber werden.

Peking. Um die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt scheint es nicht mehr ganz so gut bestellt: Die Produktionskosten in China steigen, Firmen wandern ab, die Exportzahlen gehen zurück. Und auch wenn die kürzlich veröffentlichten Wachstumszahlen mit 7,8 Prozent im dritten Quartal besser ausfallen als erwartet, mit zweistelligen Wachstumsraten wie früher ist es vorbei. Doch unzufrieden wirkt die chinesische Führung deswegen nicht. Im Gegenteil: Sie betont, diese Entwicklung sei gewollt.

Vergangene Woche hat der chinesische Premierminister, Li Keqiang, verkündet, dass sich Chinas Wirtschaft auf dem richtigen Weg befinde. „Die Regierung wird ihre angepeilten Strukturreformen weiter vorantreiben, um für ein nachhaltiges Wachstum zu sorgen.“

Tatsächlich steht die chinesische Volkswirtschaft an einem Wendepunkt: Zwar hat China in den vergangenen 30 Jahren eine beispiellose Wirtschaftsentwicklung hingelegt, allein in den vergangenen fünf Jahren hat sich der Wohlstand noch einmal nahezu verdoppelt.

Doch nicht ohne Nebenwirkungen: Im ganzen Land gibt es Überinvestitionen, die Lagerhallen quellen über. Angesichts der vielen Fabrikschlote leidet die Umwelt. Hinzu kommt die auseinanderklaffende soziale Schere.

In kaum einem Land auf der Welt ist der Unterschied zwischen Arm und Reich so groß wie in China. Und das, obwohl sich das Land formal nach wie vor als kommunistische Volksrepublik bezeichnet.

„Die neue politische Führung des Landes hat die wirtschaftlichen Ungleichgewichte offenbar erkannt“, heißt es in der jüngsten Publikation des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Immer mehr Billigwaren für den Export zu produzieren – das war einmal. Stattdessen sollen höherwertigere Jobs entstehen und damit der Binnenkonsum angekurbelt werden.

Zu wenige neue Jobs

Doch dieser Umbau ist leichter gesagt als getan. Im Süden des Landes am Perlflussdelta – der bisherigen Werkbank der Welt – machen zwar immer mehr Fabrikhallen dicht, um durch Forschungseinrichtungen von Hightech-Konzernen und durch Bürohäuser ersetzt zu werden. Diese neuen Arbeitsstellen können aber bei Weitem nicht kompensieren, was durch den Wegfall der Fabriken an Jobs verloren geht.

Jedes Jahr gibt es zehn Millionen Hochschulabsolventen auf Arbeitssuche. Das heißt: Es fehlen qualifizierte Jobs. Eine Studie der Europäischen Handelskammer in Peking kam im August zu dem Ergebnis, dass es in China vor allem an Innovation fehle. Es würden zwar viele neue Patente angemeldet. Doch nur ein Bruchteil davon sei zu gebrauchen.

Ökonomen aus aller Welt weisen bereits seit Jahren darauf hin, dass China zudem sein Finanzsystem öffnen muss. Hat es in den westlichen Industrieländern in den vergangenen Jahren an Regulierung im Bankensektor gefehlt, ist es in China umgekehrt. Die Banken sind in staatlichem Besitz, für sie gilt ein Einheitszinssatz.

Ausländischen Instituten ist es nicht erlaubt, Fuß zu fassen. So gibt es für die chinesischen Sparer kaum Anlagemöglichkeiten, weswegen sie vermehrt in Immobilien investieren – was wiederum die Preise anheizt(siehe nebenstehenden Bericht).

Zudem sind die Banken zu Giganten herangewachsen, weil sie Kredite vorwiegend an Staatsunternehmen und Lokalregierungen vergeben. „Entscheidend für die Neuausbildung des chinesischen Wachstumsmodells ist die weitere Liberalisierung der Finanzmärkte“, heißt es im DIW-Bericht.

Premier Li Keqiang hat Anfang Oktober im Shanghaier Stadtteil Pudong eine neue Freihandelszone eröffnet, die sich speziell an die internationalen Finanzmärkte richtet.

Wie vor 30 Jahren die ersten Sonderwirtschaftszonen ausländische Unternehmer angelockt haben, soll Pudong ausländische Banker anziehen – und China zu einem international wettbewerbsfähigen Finanzsystem verhelfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2013)

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