Deutschland: Bei Mieten auf der Bremse

Deutschland, Mieten, Bremse
Deutschland, Mieten, Bremse(c) EPA (KAY NIETFELD)
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Schwarz-Rot greift mit Mietgrenzen in den Wohnungsmarkt ein. Die Eigentümer drohen mit Klage gegen den „groben Unfug“.

Berlin. Luxus beim Wohnen ist im Berliner Stadtteil Pankow verpönt und verboten. Es braucht nicht goldene Armaturen, um den Verdacht von Beamten der Baubehörde zu erregen. Schon Hänge-WCs gelten als suspekt und daher genehmigungspflichtig. Strafbar ist seit heuer, bei einer Sanierung eine Fußbodenheizung, einen Kamin oder einen zweiten Balkon einzubauen. All das ist der Initiative eines grünen Bezirksrats zu verdanken.

Über solche Auswüchse der Regulierungswut im Kampf gegen steigende Mieten haben die meisten deutschen Wohnungseigentümer bis vor Kurzem noch gelächelt. Doch nun geht es ums große Ganze in einer Großen Koalition: Die schwarz-roten Verhandler haben sich auf ein Paket von Maßnahmen geeinigt, mit denen sie den Anstieg von Mieten in Großstädten bekämpfen wollen. Mit der gravierendsten Forderung hat sich die SPD durchgesetzt: Erstmals wird die Neuvermietung dem freien Markt entzogen. Der Mietpreis darf nur noch maximal zehn Prozent über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ liegen. Der dafür relevante Preisspiegel berücksichtigt zwar eine gute Lage, der Wert liegt aber oft unter dem Marktpreis.

Vermieter zahlen Makler

Das heißt: Vermieter müssen damit rechnen, dass sie bei einem Mieterwechsel weniger einnehmen und ihre Kalkulation einstampfen können. Zudem wird die Möglichkeit eingeschränkt, Bestandsmieten zu erhöhen und Mieter an Sanierungskosten zu beteiligen. Die Maklergebühr muss künftig generell der Vermieter zahlen. Es sind die bisher stärksten Eingriffe in den traditionell liberalen deutschen Mietmarkt, einen der größten der Welt: 58Prozent der Deutschen wohnen zur Miete (Österreich: 44 Prozent). Können sie sich freuen?

Der Eigentümerverband Haus & Grund schimpft über ein „Paket groben Unfugs“ und droht mit Klagen vor dem Verfassungsgericht. Die Maßnahmen seien „das absolut Falsche“, weil sie Investitionen „abwürgen“ und „keinem einzigen bedürftigen Mieter“ helfen. Andere Vertreter der Immobilienwirtschaft reagieren gelassener. Denn im Gegenzug verspricht die künftige Regierung, die „degressive Abschreibung“ wieder einzuführen und so Anreize zum Wohnungsbau zu schaffen. Auch die energetische Sanierung will sie stärker fördern – wenn am Ende der Verhandlungen noch Geld dafür da ist.

Vor allem aber sind die Anbieter erleichtert, dass alle Maßnahmen auf Gebiete mit „angespannter Situation“ begrenzt bleiben. Wo diese liegen, legen die Länder fest. Hier hat sich Merkels Union durchgesetzt. Tatsächlich beschränkt sich der durch Wahlkampf und Medien hochgespielte „Wahnsinn“ der „explodierenden Wuchermieten“ auf wenige Großstädte: München, Hamburg, Frankfurt und nun auch Berlin. In ihnen wiederum geht es vor allem um Szeneviertel, in denen alle wohnen wollen. Dazu kommen kleinere Universitätsstädte wie Münster oder Göttingen. Anderswo ist die Nachfrage schwach, in Ostdeutschland entvölkern sich ganze Landstriche. Insgesamt steigen die Mieten weit weniger stark als in Österreich (siehe unten).

Bremse hilft den Armen nicht

An den begehrten Hotspots wird die Mietpreisbremse den Ärmeren kaum helfen. Im Gegenteil: Sinken dort die Mieten, werden die Wohnungen noch stärker nachgefragt. Aus der immer längeren Schlange suchen sich die Vermieter weiterhin jene aus, die am meisten verdienen und deshalb am kreditwürdigsten sind. Zudem provozieren künstlich fixierte Preise – wie die Erfahrungen mit Richtwerten im stärker regulierten österreichischen Markt zeigen – immer deren Umgehung. Experten rechnen mit einem grauen Markt voller Ablösen, unechter Untermieten und Zuschläge „unter der Hand“.

Tatsächlich entspannen wird sich die Situation in den Ballungsgebieten nur, wenn das Angebot steigt. In den letzten 15 Jahren wurde dort viel zu wenig gebaut, auch weil die künftige Nachfrage unterschätzt wurde. Hier kann die öffentliche Hand steuern. Die Stadt Hamburg etwa verkauft Grundstücke gezielt an Bauträger, die einen Mindestanteil an günstigen Wohnungen und damit soziale Durchmischung garantieren. Solche Politik braucht freilich Zeit – und hat nicht die plakative Symbolik einer „Mietpreisbremse“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2013)

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